CIBEDO-Beiträge 04/2014

Liebe Leserinnen und Leser,

Ende November 2014 hat Papst Franziskus eine dreitägige pastorale Reise in die Türkei unternommen. Bei seinen Begegnungen mit zivilen und religiösen Autoritäten bekräftigte er die Notwendigkeit der Gleichstellung aller Bürgerinnen und Bürger und der Achtung der Religionsfreiheit, die für ein friedliches Zusammenleben von Anhängern verschiedener Religionen unabdingbar ist. Bei der Begegnung mit dem Leiter der staatlichen Religionsbehörde Mehmet Görmez verwies der Papst auch auf die besondere Sorge der Religionsführer für die Menschenwürde. Er sagte: „Als religiöse Führer haben wir die Pflicht, alle diese Verletzungen der Menschenwürde und der Menschenrechte öffentlich anzuklagen. Das menschliche Leben, ein Geschenk des Schöpfergottes, besitzt einen sakralen Charakter“. Neben den vielen positiven Reaktionen auf den Besuch des Papstes in der Blauen Moschee und der Hagia Sophia in Istanbul wurde vor allem sein Gebet in der Moschee von der türkischen Presse besonders hervorgehoben. Der Papst sagte später dazu, er sei als Pilger in die Türkei gekommen und als er in der Moschee war, habe er einfach das Bedürfnis verspürt, zu beten. So hielt er inne und betete für die Türkei und für den Frieden. Der Besuch eines mehrheitlich muslimischen Landes und die Begegnung mit dessen religiösen Autoritäten sind ein deutliches Zeichen für das Festhalten am christlich-islamischen Dialog. Den Dialog der katholischen Kirche mit dem sunnitischen Islam hob der Papst besonders hervor, indem er auf die Zusammenarbeit zwischen dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der Religionsbehörde in der Türkei verwies. Die christlich-muslimischen Beziehungen haben seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil einen besonderen Akzent erfahren, und es ist an der Zeit, wie der Papst durch seinen Besuch und seine Gespräche mit muslimischen Repräsentanten zum Ausdruck bringt, dass wir in diesem Dialog einen Schritt weiterkommen und unseren theologischen Dialog intensivieren.

In diesem Sinne hat Jean-Louis Kardinal Tauran, der Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog (PCID), beim Festakt zur Einweihung der neuen Geschäftsräume von CIBEDO und Einführung der neuen Stiftungsprofessur „Theologie im Angesicht des Islam“ in der Aula der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen im Oktober 2014 drei Themenfelder hervorgehoben, die für die Zukunft eines friedlichen Zusammenlebens von Christen und Muslimen eine wichtige Rolle spielen werden: a) Identität (Wer sind wir? Woran glauben wir?); b) Verschiedenheit (Der „Andere“ ist nicht zwangsläufig ein Gegner); und c) Pluralismus (Gott ist auf geheimnisvolle Weise in jedem Seiner Geschöpfe gegenwärtig und wirksam). Nur wer in seiner religiösen Identität gefestigt ist und den Anderen in seiner Andersheit respektiert und akzeptiert, ist pluralitätsfähig und kann den Anderen als Bereicherung für sich und seinen eigenen Glauben annehmen. Genau darin liegt die Herausforderung für Christen und Muslime.

In einer Zeit, in der durch die sogenannten Pegida-Demonstrationen die Kluft zwischen den verschiedenen Religionen und Kulturen in Deutschland größer wird, scheint es mir ein Gebot der Stunde zu sein, den Dialog zwischen Christen und Muslimen im oben angesprochenen Sinn zu intensivieren. Fremdenfeindlichkeit, pauschale oder gar hetzerische Kritik an einer anderen Religion sind im Sinne eines fruchtbaren Dialogs zweifelsohne immer abzulehnen.

Möge das neue Jahr 2015 uns helfen, in unseren Dialogbemühungen ein Stück

weiterzukommen!

Timo Güzelmansur

 

Inhaltsverzeichnis

Studien

Was bedeutet die Israeltheologie für ein theologisches Verstehen des Islam?

von Anja Middelbeck-Varwick, Berlin 152

Historisch-kritische Schriftauslegung in Ankara? – Eine Revision der revisionistischen Koranhermeneutik in der türkischen Universitätstheologie

von Benjamin Flöhr, Bochum 161

Erwiderung auf Benjamin Flöhrs Beitrag „Historisch-kritische Schriftauslegung in Ankara?“

von Felix Körner SJ 168

Wandel durch Begegnung: Theologischer Hochschuldialog Paderborn – Qom – Beirut (2012–2014)

von Anna-Maria Fischer, Paderborn 169

 

Dokumentation

“Religions- und Meinungsfreiheit sind ein Zeichen des Friedens”

Auszug aus der Ansprache von Papst Franziskus bei der Begegnung mit Vertretern der Regierung und des öffentlichen Lebens 174

„Dialog ist ein Zeichen der Hoffnung“

Ansprache von Papst Franziskus anlässlich des Besuches beim Präsidenten des Amtes für Religionsangelegenheiten 176

„Ich bin als Pilger in die Türkei gekommen“

Auszüge aus der Pressekonferenz mit dem Heiligen Vater auf dem Rückflug nach Rom 178

„Dialog in Wahrheit und Liebe“

Auszug aus: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Hrsg.): Dialogue in Truth and Charity 180

Einhellige Verurteilung des Terrorismus

Abschlusserklärung des dritten Seminars des „Katholisch-Muslimischen Forums“ 182

Konstruktiver Dialog für eine bessere Gesellschaft

Abschlusserklärung des neunten Kolloquiums des Interreligiösen Dialogs zwischen dem Zentrum für Interreligiösen Dialog der Organisation für Islamische Kultur und Beziehungen und dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog 184

Gemeinsam gegen Verfolgung und Missbrauch der Religion

Grußbotschaft des Vorsitzenden der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den Interreligiösen Dialog, Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke (Hamburg), zum Muharrem-Fasten und zum Aschura-Fest 2014 186

 

Berichte

„Der Islam in der christlich-theologischen Ausbildung“

Bericht zur dritten CIBEDO-Werkstatt: Theologie im Angesicht des Islam

von Matthias Böhm und Verena Voigt 187

 

Buchbesprechungen

Boehme, Katja (Hrsg.): „Wer ist der Mensch?“ Anthropologie im interreligiösen Lernen und Lehren

von Joachim Kittel 189

Omerika, Armina (Hrsg.): Muslimische Stimmen aus Bosnien und Herzegowina: Die Entwicklung einer modernen islamischen Denktradition

von Ruggero Vimercati Sanseverino 190

Shortt, Rupert: Christianophobia. A Faith Under Attack

von Harald Suermann 192
Literaturhinweise 194
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 196
Zeitschriftenschau 198