Köln (KNA) Im Mai erlangte Palmyra, nicht nur für Archäologen ein Kleinod von unschätzbarem Wert, traurige Berühmtheit: Die Terrormiliz Islamischer Staat nahm die antike Wüstenstadt in Syrien ein, zerstörte viele der Weltkulturerbe-Stätten und machte die von römischen, griechischen und orientalischen Einflüssen geprägten Bauwerke zur grausigen Kulisse für Hinrichtungen. Dabei wurde auch der frühere Chefarchäologe von Palmyra, Khaled Asaad, getötet. Die Ausstellung “Palmyra – Was bleibt?” im Kölner Wallraf-Richartz-Museum widmet sich von Freitag bis 8. Mai dem Schicksal der antiken Ruinenstadt.
“Eine Motivation dieser Zerstörung ist auch, dass hier der kulturelle Hintergrund des Westens berührt wird”, sagte Christian Raabe, Professor für Denkmalpflege an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, bei der Vorstellung der Schau am Donnerstag. Umso wichtiger sei es, Palmyra nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, so Raabe, dessen Lehrstuhl Kooperationspartner der kompakten Ausstellung ist.
Basis sind 40 Zeichnungen von Louis-Francois Cassas (1756-1827), die der französische Künstler, Archäologe und Architekt 1785 vor Ort anfertigte. Die großformatigen Tafeln dokumentieren sehr detailgetreu die Eindrücke von Cassas, der selbst in der von Raub, Zerfall und Zerstörung geprägten Stadt bereits Ruinen vorfand. Seine eigenen Rekonstruktionen hob er in den Zeichnungen farbig hervor.
Die Wissenschaftler der RWTH steuerten zur Ausstellung ein vier Quadratmeter großes topographisches Modell bei. Dessen wechselnde elektronische Projektionen mit Karten und Luftaufnahmen machen den drastischen Wandel Palmyras im Laufe der Zeit anschaulich. So zeigt der große Block aktuelle Satellitenaufnahmen und historische Karten, auf denen jeweils der Urzustand und die zerstörten Gebäude kenntlich gemacht sind. Damit lässt sich nachvollziehen, dass die Islamisten etwa die Löwenskulptur aus dem Allat-Tempel, die Tempel des Baal und des Baalschamin, antike Grabtürme sowie das Hadrianstor aus dem 2. Jahrhundert zerstört haben.
Die Zeichnungen von Cassas, dessen verdienstvolles Schaffen einst kein Geringerer als Goethe pries, gehörten bereits zum Bestand des Wallraf. Doch wurden die meisten noch nie gezeigt, da sie restaurierungsbedürftig waren, erklärte Museumsdirektor Marcus Dekiert. Angesichts der aktuellen Ereignisse habe sich das Haus dazu entschlossen, die Ausstellung kurzfristig ins Programm zu nehmen.
Mit Unterstützung der Gerda-Henkel-Stiftung seien 36 Blätter instand gesetzt worden. Nun sei anhand des Vergleichs der historischen Zeichnungen mit den aktuellen Gegebenheiten ein “Blick zurück und nach vorne” möglich, so Dekiert.
Dazu trägt auch das Veranstaltungsprogramm bei. So wird der Präsident der Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Helmut Parzinger, seine Forderung “Baut die Tempel wieder auf!” in einem Vortrag am kommenden Donnerstag untermauern. Angesichts der Bedrohung und Zerstörung des Weltkulturerbes fordert der Prähistoriker die Weltgemeinschaft auf, die antiken Kulturstätten als bedeutenden Teil des Gedächtnisses der Menschheit und Wiege der Zivilisation zu erhalten.
Ebenso werden Kurator Thomas Ketelsen und der syrische Archäologe Jabbar Abdullah vom benachbarten Römisch-Germanischen Museum Führungen auf Arabisch und Deutsch halten. Damit wolle das Museum auch Menschen mit Fluchterfahrungen erreichen, erklärte Ketelsen. “Das ist unser Beitrag zur Willkommenskultur, dass wir hier ein Stück der syrischen Geschichte zeigen können.”
Der 28-jährige Abdullah kam selbst vor 18 Monaten als Flüchtling nach Deutschland. “Die Ausstellung ist ein großes Geschenk”, so der junge Wissenschaftler. Seine Hoffnung: Dass Palmyra dereinst wieder aufgebaut wird. “Die Stadt gehört nicht nur Syrien, sondern der ganzen Menschheit.”
(KNA – qkmmp-89-00151)