Berlin (KNA) Angesichts der wachsenden Spannungen in der Türkei beantragen offenbar zunehmend Türken Asyl in Deutschland. Im ersten Halbjahr sei die Zahl fast schon so hoch wie 2015 ins-gesamt, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf Anfrage des “Tagesspiegel” (Samstag) mit. Demnach registrierte die Behörde von Januar bis Juni 1.719 Anträge von Türken, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 1.767. Wie sich die Lage seit dem Putschversuch im Juli entwickele, könne das Bundesamt noch nicht sagen.
Die meisten Asylbewerber kommen demnach aus den Kurdengebieten der Türkei. Von den 1.719 Antragstellern in den ersten sechs Monaten seien 1.510 kurdischer Herkunft, so das BAMF. Im Jahr zuvor waren den Angaben zufolge unter den 1.767 türkischen Asylbewerbern 1.428 Kurden. Viele kurdische Flüchtlinge aus der Türkei kämen wegen der Kämpfe in ihrer Heimat.
Trotz der Situation im Südosten der Türkei sei die Anerkennungsquote bei Asylanträgen aber deut-lich gesunken. Dem BAMF zufolge wurden im ersten Halbjahr 5,2 Prozent der Anträge kurdischer Türken positiv beschieden.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland erwartet allerdings keine große Fluchtbewegung aus der Türkei nach Deutschland. “Die Lage ist kritisch, Menschen versuchen auszureisen, aber vor allem auch in Staaten etwa in Asien, weil dort der Lebensstandard bezahlbar ist und auch die Einreisebe-stimmungen nicht so scharf sind”, sagte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) in Berlin.
Sofuoglu warnte zugleich vor einer wachsenden Polarisierung zwischen Erdogan-Gegnern und – Befürwortern: “Wer jetzt die doppelte Staatsbürgerschaft kritisiert oder die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei angreift, der spielt genau das Spiel von Erdogan mit”. Stattdessen sei eine sachli-che Debatte nötig.
Grünen-Chef Cem Özdemir äußerte sich dagegen besorgt über eine wachsende Fluchtbewegung aus der Türkei. Die neuen Zahlen des BAMF zeigten, “wie angespannt die Sicherheitslage in der Türkei auch schon vor dem Putschversuch war”, sagte Özdemir denselben Zeitungen. Er warnte davor, die Türkei als sicheres Herkunftsland zu betrachten. Diese Einschätzung sei “vor dem Hinter-grund des Bürgerkriegs im Südosten und den Säuberungswellen nach dem Putsch wohl kaum noch aufrechtzuerhalten”, sagte Özdemir. Als “Säuberung” bezeichnet die türkische Regierung ihr Vorge-hen gegen Gegner und Kritiker.
(KNA – qkskp-89-00094)