Gülen-Bewegung- Eine Art islamisches Opus Dei

Interview mit Herrn Güzelmansur, aufgezeichnet von Joachim Frank und veröffentlicht im Kölner Stadtanzeiger am 28.08.2016.

Quelle: http://www.ksta.de/politik/guelen-bewegung-eine-art-islamisches-opus-dei-24659330

Gülen-Bewegung Eine Art islamisches Opus Dei 

Herr Güzelmansur, die Einschätzungen der Bewegung von Fethullah Gülen schwanken zwischen Terrortruppe und beflissenen Bildungsbürgern. Was ist Ihr Bild?

In der Lesart des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist die Gülen-Bewegung so gefährlich wie die kurdische PKK oder der IS. Das halte ich für völlig übertrieben. Sie ist andererseits gewiss keine Vorkämpferin für eine plurale, säkulare Gesellschaft. Zumindest nicht in der Türkei. Hier in Deutschland treten die Anhänger friedlich und dialogbereit auf. Ich könnte aus eigener Erfahrung nichts Negatives über sie sagen.

Aber was will die Bewegung? Welche Ziele verfolgt sie?

Sie will aus dem Glauben einen Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft leisten.

Das wollen Katholiken oder Protestanten auch.

Ja, deswegen stehen wir bei Cibedo den Gülen-Leuten auch nicht von vornherein negativ gegenüber.

Aber es kommt doch darauf an, um was für einen Beitrag es geht, und was für eine Gesellschaft diese Leute wollen.

Wir haben gemeinsam eine Tagung zum Thema „Spiritualität und Bildung“ veranstaltet. Dieses Begriffspaar trifft die Absichten der Gülen-Bewegung ganz gut. Im Zuge dessen, haben wir die Schulen des Jesuiten-Ordens mit denen der Gülen-Bewegung verglichen. Da gibt es viele Parallelen.

In den Schulen der Jesuiten hängt aber das Ordenswappen an der Tür. Im Kölner Dialog-Schulzentrum, das der Gülen-Bewegung nahesteht, weist nichts auf diese Verbindung hin.

Eine gewisse Heimlichtuerei haben auch wir kritisiert. Man sagte uns, es finde derzeit ein Umdenken statt. Die Gülen-Bewegung wolle zumindest in Deutschland offener und transparenter auftreten als bisher. Vor einigen Jahren haben sie eine Stiftung gegründet, in der die Institutionen zusammengefasst sind, die zur Bewegung gehören. Ob sie bei dem gegenwärtigen Druck des türkischen Regimes an diesem Kurs größerer Offenheit festhalten, muss man sehen.

Bis vor ein paar Jahren waren Fethullah Gülen und Erdogan sehr eng miteinander. Das lässt Zweifel daran aufkommen, dass Gülen ein Herzensverhältnis zur Demokratie, zum Rechtsstaat und zu bürgerlichen Freiheiten hat.

Man muss die Bewegung als ein von Gülen inspiriertes Netzwerk und seine Person ein Stück weit voneinander trennen. Je nach Ort und Kontext kann das Agieren deutlich differieren. Zum Beispiel gehe ich davon aus, dass die Gülen-Bewegung in der Türkei andere Ziele verfolgt als in Deutschland.

Nämlich?

In der Türkei will sie die gesellschaftliche und politische Transformation im Sinne des Islams. Die frühere enge Allianz mit Erdogan rührt daher, dass dessen AK-Partei nach ihren Wahlerfolgen und der Übernahme der Regierung keine elitären Kader hatte, um die wichtigen Schaltstellen im Staatsapparat und der Verwaltung selbst zu besetzen. Gülen konnte mit diesen Eliten aufwarten. So haben sie sich gewissermaßen die Macht geteilt. Heute spricht die Gülen-Bewegung in Deutschland viel über Demokratie und Pluralität. Da hat bestimmt ein Lernprozess eingesetzt, nicht zuletzt aufgrund der Verfolgung durch das türkische Regime. Aber mit Blick auf ihr Agieren in der Türkei stehen die Gülen-Leute keineswegs als Saubermänner da.

Stichwort „elitäre Kader“, Stichwort „Heimlichtuerei“ – ist die Gülen-Bewegung eine Art islamisches Opus Dei?

Das kann man sagen, ja. Es geht um Macht, es geht um Einfluss, es geht auch um Finanzkraft. Nicht von ungefähr hatte die Gülen-Bewegung in der Türkei viel Unterstützung von Geschäftsleuten. Und sie ist einem konservativen Verständnis des Islam verpflichtet. Auch wenn sie um eine Versöhnung des Islams mit der Moderne bemüht sind, ist sie theologisch ganz sicher keine Reformbewegung.

Wie passt dazu Gülens Maxime „Schulen bauen statt Moscheen“?

Das muss man aus dem türkischen Kontext verstehen. Als Gülen begann, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren, ging er betont auf Distanz zum Staatsislam, den die Religionsbehörde Diyanet in Ankara verkörpert. Sie steckt viel von dem Geld, welches sie vom Staat bekommt, in den Bau von Moscheen. Dagegen ist Gülen angetreten – mit seinem vom Islam inspirierten Bildungsprogramm. Das hat ihm viele Sympathien eingetragen. Es gibt heute meines Wissens überhaupt nur zwei Moscheebauprojekte, an denen die Gülen-Bewegung beteiligt ist: eines in Ankara, das andere in Berlin. Dort macht sie bei dem „House of One“-Projekt mit, einem interreligiösen Zentrum mit einer Kirche, einer Synagoge und einer Moschee. Ich finde schon bezeichnend, dass für dieses „Lehr- und Bethaus der Religionen“ die Gülen-Bewegung die islamische Partnerin ist und nicht zum Beispiel die Türkisch-Islamische Union Ditib.

Ist die Gülen-Bewegung in Deutschland der Ditib ein Dorn im Auge?

Der Konflikt zwischen Erdogan und Gülen wird in Deutschland unter anderem in den Moscheen der Ditib ausgetragen. Allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz, ist die Ditib von der türkischen Regierung abhängig. Deshalb schlagen sich die innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei unmittelbar in den Moscheen der Ditib nieder.

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