„Ein wichtiges politisches Signal“. Interview mit Klaus Krämer

Zum Abschluss einer internationalen Konferenz zum Thema Religionsfreiheit in aller Welt wird Bundeskanzlerin Angela Merkel heute in Berlin sprechen. Der Präsident des katholischen Hilfswerks Missio Aachen, Klaus Krämer, sieht das als wichtiges politisches Signal, wie er im Interview betont. Außerdem äußert er sich zur Religionsfreiheit rund um den Erdball und widerspricht Kritikern, die den interreligiösen Dialog für sinnlos halten.

Krämer: Mit ihrer Rede rückt sie die Frage der Religionsfreiheit in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Und das ist ein wichtiges politisches Signal, das wir angesichts der vielfältigen Verletzung dieses grundlegenden Menschenrechts dringend brauchen. Leider werden Religionen verstärkt zur Legitimation von Gewalt missbraucht. Darum erhoffe ich mir von der Kanzlerin ein eindeutiges Zeichen gegen die Instrumentalisierung der Religionen durch Politiker, die ein Interesse daran haben, die Gesellschaft zu polarisieren und zu spalten. Polarisierung klärt und löst Konflikte nicht, sondern verschärft sie.

Frage: Wo sehen Sie diese Polarisierung?

Krämer: Wir dürfen es beispielsweise nicht zulassen, dass Christen und Muslime gegeneinander ausgespielt werden, auch wenn der internationale politisch-islamistisch motivierte Terror genau das provozieren möchte. Religionsfreiheit ist ein unteilbares Menschenrecht und gilt für alle. Deshalb wünschen wir uns von Frau Merkel auch konkrete Hinweise, wie die Bundesregierung die Angehörigen aller Religionen besser vor Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit oder sogar Verfolgung schützen kann.

Frage: Wie steht es denn insgesamt um die Religionsfreiheit in der Welt?

Krämer: Wir beobachten mit großer Sorge, dass Einschränkungen der Religionsfreiheit weltweit zunehmen. Immer stärker geraten religiöse Minderheiten unter Druck – auch durch staatliche Diskriminierung oder gesellschaftliche Ausgrenzung. Uns beunruhigt dabei vor allem, dass religiöse Argumente zur Legitimierung von Gewalt missbraucht werden, um wirtschaftliche, soziale oder ethnische Konflikte auszutragen. Wer diese Konflikte lösen will, muss die Ursachen sorgfältig analysieren.

Frage: Welche Regionen und Religionen bereiten Ihnen da die größten Sorgen?

Krämer: Sicher ist die Situation im Nahen und Mittleren Osten derzeit am angespanntesten. Aber auch Nigeria, Eritrea, Pakistan oder Indien sind Länder, in denen Menschen sehr stark unter Verletzungen der Religionsfreiheit leiden. Gerade für die Christen im Nahen und Mittleren Osten ist die Situation sehr schwierig. Gleichzeitig leiden aber auch die Muslime in dieser Region sehr stark unter dem Grundkonflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Das gilt auch für die Konflikte in Syrien und dem Irak.

Frage: Was muss passieren, um die Situation zu verbessern?

Krämer: Zunächst müssen wir alles dafür tun, dass die politische, soziale, ethnische oder wirtschaftliche Instrumentalisierung von Religion weltweit durchschaut und abgebaut wird. Hier ist der interreligiöse Dialog ein wichtiges Instrument. Christen sollten hier immer wieder die Vorreiter sein. Gleichzeitig braucht vor allem die junge Generation in den heutigen Krisenländern neben Frieden und Freiheit eine ökonomische wie politische Zukunftsperspektive. Rund 70 Prozent der Menschen in den Ländern unserer Projektpartner in Afrika und Asien sind jünger als 30 Jahre.

Frage: Der interreligiöse Dialog, den Sie ansprechen, wird von manchen totgesagt, von anderen allenfalls belächelt als „naives Gutmenschentum“…

Krämer: Dem widerspreche ich ganz entschieden. Dialog heißt nicht, dass man unverbindliche Gespräche miteinander führt. Dialog heißt vielmehr, dass man mit Respekt Themen kritisch anspricht, vor allem die umstrittensten. Gerade in der Auseinandersetzung mit dem Anderen und dem Fremden lernt man sich selbst besser kennen. Noch wichtiger aber ist, dass der Dialog eine Antwort auf die konkreten aktuellen Herausforderungen gibt. Deshalb unterstützen wir den interreligiösen Dialog an der Basis in unseren Partnerregionen im Nahen Osten, in Afrika und in Asien. Dort, wo es Konflikte zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen gibt, versuchen unsere Projektpartner die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen und nach gemeinsamen Lösungen der bestehenden Probleme zu suchen.

Frage: Was tun Sie als Hilfswerk, um Ihre Partner vor Ort zu schützen und ihnen zu helfen beim Einsatz für Religionsfreiheit und andere Menschenrechte?

Krämer: Das fängt hier in Deutschland an, wo wir das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung des Grundrechts Religionsfreiheit schärfen wollen. Darum organisieren wir Veranstaltungen, geben Studien zum Thema Menschenrechte und Länderberichte zur Religionsfreiheit heraus. Wir nutzen Kontakte zu Politikern, Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren, um Lobbyarbeit zu betreiben für bedrängte und verfolgte Christen und für Fragen der Religionsfreiheit. Wir starten Kampagnen, mit denen wir auf das Schicksal von Menschen aufmerksam machen, die von Verletzungen der Religionsfreiheit betroffen sind. Und last but not least unterstützen wir direkt unsere Partner vor Ort, die Menschenrechtsarbeit leisten und den interreligiösen Dialog vorantreiben.

Frage: Wie sieht das konkret aus?

Krämer: Nehmen Sie zum Beispiel die Zentralafrikanische Republik: Dort fördern wir die „Interreligiöse Plattform“, ein Projekt, an dem Katholiken, Protestanten und Muslime zusammenarbeiten. Zusammen bauen Sie unter anderem ein Radio-Programm auf, das die Menschen informieren und friedlich zusammenbringen soll. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Von Gottfried Bohl (KNA)

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