Lage in Aleppo weiter unklar – Hilferufe werden lauter

Aleppo/Bonn (KNA) Nach der Eroberung Ost-Aleppos durch syrische Regierungstruppen bereiten Hilfsorganisationen die Evakuierung der Stadt vor. Die Lage sei unklar und ungewiss, sagte UnicefSprecherin Ninja Charbonneau am Mittwoch im SWR. Sobald der Zugang möglich sei, könnten “sehr schnell Zehntausende Menschen” versorgt werden. Die Bundesregierung forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe, einen Zugang zu Verletzten und humanitäre Korridore für die Zivilbevölkerung. Die Hilfe für die Menschen habe Priorität, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Er forderte von Russland und dem Iran, entsprechenden Druck auf den syrischen Machthaber Baschar al-Assad auszuüben. Der Chefberater von World Vision, Tim Costello, mahnte eine politische Lösung für Syrien an. “Aleppo sieht aus wie Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg”, sagte er in Friedrichsdorf. “Wenn wir den Menschen nicht helfen, sind wir nur Barbaren.” Aktivisten berichteten unterdessen von weiteren Bombardements. Es sei bitter für die Bewohner Aleppos, dass sie vor den Augen der internationalen Gemeinschaft aus ihren eigenen Häusern evakuiert würden, sagte das Mitglied des syrischen Nationalrats, Sadiqu Al-Mousslie, im Kölner domradio. In den vergangenen Tagen hätten Truppen von Assad gezielte ethnische Säuberungen durchgeführt. Politische Lösungen seien “in immer weitere Ferne” gerückt; die Zeichen für die Zukunft seien “sehr schlecht”. Carla Del Ponte, Mitglied der Unabhängigen Internationalen UN-Untersuchungskommission für Syrien, forderte ein Sondertribunal für syrische Kriegsverbrecher. Solch ein Tribunal könne schneller arbeiten als der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, sagte Del Ponte der “Zeit” (Donnerstag). Nach fünf Jahren Krieg in Syrien sei die “Zahl der Verbrechen so groß”, dass ein Sondergericht wie im Fall von Jugoslawien nötig sei. Die frühere Chefanklägerin der Tribunale für Jugoslawien und Ruanda ordnet den Beschuss von Wohnhäusern, Krankenhäusern, Schulen und Hilfskonvois durch russische und syrische Flugzeuge als Kriegsverbrechen ein. Auch Amnesty International sprach von Anzeichen für Kriegsverbrechen. Die Berichte über massakrierte Zivilisten seien “zutiefst schockierend, aber nicht überraschend”, sagte Amnesty-Mitarbeiterin Lynn Maalouf. Die Regierungstruppen hätten während des gesamten Bürgerkriegs gegen die Menschenrechte verstoßen. Unterdessen hält die Flucht aus der Stadt an, wie der katholische Pfarrer von Aleppo, Franziskanerpater Ibrahim Al-Sabagh, berichtete. Es stünden Busse bereit, um Zivilisten in sichere Gebiete zu bringen. Die vorbereiteten Auffangorte der Regierung reichen nach Einschätzung des maronitischen Erzbischofs von Aleppo, Joseph Tobji, allerdings nicht aus. “Man hat nicht mit so vielen Menschen gerechnet”, sagte er dem Sender Radio Vatikan. Allerdings gebe es nun “endlich Hoffnung auf ein bisschen Frieden”.

(KNA – qlmlo-89-00179)