Ethnologin: Im Dialog mit Muslimen nicht nur auf Verbände setzen

München (KNA) Die Frankfurter Ethnologin Susanne Schröter empfiehlt, im Dialog mit Muslimen nicht nur auf islamische Verbände zu setzen. Stattdessen müssten Beteiligungsmodelle entwickelt werden, die der Mehrheit an moderaten Einzelpersonen und nichtorganisierten Moscheegemeinden in Deutschland entsprächen, sagte Schröter am Dienstagabend in München. Nur rund ein Drittel aller Muslime in Deutschland seien durch die hierarchisch und zentralistisch organisierten Verbände vertreten, die häufig für einen konservativen Islam stünden. – Schröter äußerte sich bei einem Vortrag in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. “Reichlich bedenklich” nannte die Wissenschaftlerin insbesondere die Entwicklungen in der Türkisch-Islamischen Anstalt für Religion (Ditib). Der mit rund 1.000 Moscheegemeinden in Deutschland größ- te Verband unterstehe der türkischen Religionsbehörde und sei damit “ein verlängerter Arm Erdogans”. Unter dem türkischen Präsidenten habe sich der ursprünglich moderate Islam der Türkei in einen “autoritären Islamismus” verwandelt, so Schröter. Die türkische Religionsbehörde spiele dabei eine entscheidende Rolle und verkehre ihr ursprüngliches Betreuungsverhältnis zu den deutschen Ditib-Gemeinden in ein Kontrollverhältnis. Auf die Spionageaffäre türkischer Imame, die im Umfeld der Gülen-Bewegung in Deutschland stattgefunden habe, wies die Ethnologin ebenfalls hin. Auch deshalb stellte sich die Frage, ob Ditib noch “in besonderer Weise geeignet ist für die Integration der Türkeistämmigen und als präventive Instanz gegen Radikalisierung von Jugendlichen”. Schröter sagte, sie wünsche sich von allen Verbänden  mehr Freiheiten für ihre Moscheegemeinden, die sich auf lokaler Ebene häufig scheuten, “von unten” aktiv zu werden. Zu groß sei die Angst, sich nicht im Sinne der Zentrale zu verhalten. Dies stehe auch einer wünschenswerten Kooperation mit Einrichtungen der Kirchen im Wege. Mit einzelnen Islamvertretern oder nicht verbandsgebundenen Moscheegemeinden funktioniere das heute schon. Der Staat sollte diese nicht dazu zwingen, sich in einem Verband zu organisieren. “Der Islam hat seinen Charme auch dadurch, dass er vielfältig ist.” Diese Vielfalt müsse in Gremien wie der Deutschen Islam-Konferenz repräsentiert sein.

(KNA – rklmp-89-00114)