Experte: Indonesien braucht Debatte über Blasphemie-Vorschriften

Göttingen (KNA) Menschenrechtler warnen vor einer weiteren Instrumentalisierung von Religion in Indonesien.

Das südostasiatische Land brauche dringend “eine breite öffentliche Diskussion der Blasphemie-Vorschriften und klarere Regeln”, erklärte der Asienexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Ulrich Delius, am Mittwoch in Göttingen. Zuletzt hatten indonesische Bürgerrechtler eine Abschaffung des Blasphemiegesetzes gefordert.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass der christliche Gouverneur von Jakarta, Basuki Tjahaja “Ahok” Purnama, einer Haftstrafe wegen Blasphemie nicht – wie zunächst angekündigt – widersprechen werde. Er wolle so zu einer Beruhigung der Lage beitragen und verhindern, dass sein Fall politisch instrumentalisiert werde, schreibt Ahok laut GfbV in einem Brief an seine Ehefrau.

Delius sprach von einer bemerkenswerten Geste. Zugleich sei die Entscheidung Ahoks “Ausdruck der Hilflosigkeit von Indonesiens religiösen Minderheiten angesichts des wachsenden Einflusses radikaler Islamisten”. Es sei fraglich, ob dieser Schritt denen helfe, “die nach dem spektakulären Verfahren verängstigt sind und um ihre Religionsfreiheit bangen”. Ahok war Anfang Mai zu zwei Jahren Haft wegen gotteslästerlicher Aussagen verurteilt worden.

Der Blasphemieprozess war nach Ansicht politischer Beobachter in Indonesien der wesentliche Faktor für Ahoks Niederlage bei der Gouverneurswahl, bei der er sich Mitte April seinem muslimischen Herausforderer Anies Baswedan geschlagen geben musste. Indonesische und internationale Menschenrechtsorganisationen bezeichneten den Blasphemieprozess als “Politjustiz”. Indonesien war lange Jahre ein Land mit einem ausgeprägt moderaten Islam. Beobachter bewerten die aktuelle Entwicklung als Zeichen für eine Radikalisierung im bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt.

(KNA – rkpmo-89-00087)