Berlin (KNA) Die Debatte um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, führt nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx nicht weiter.
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hält sie für “wenig zielführend”. Kritik äußerte auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg.
Weder die eine noch die andere Formulierung in der Islam-Frage sei hilfreich, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem Magazin “Focus” (Samstag). “Da könnte man auch fragen, ob der Atheismus zu Deutschland gehört.” Schon der Blick ins Grundgesetz reiche zur Klärung, wo Artikel 4 die Freiheit der Religionsausübung garantiere. “Das ist wirklich Teil unserer Staatsräson.”
Ihn störe es, wenn Ängste geschürt und man bei Muslimen nur über ihre Religion rede, so Marx weiter. “Sie sind zuerst Menschen und dann kommt das Adjektiv.” Einen politischen Islam, der in Deutschland Propaganda für Krieg mache, lehne er ab. Aber man könne etwa auch nicht pauschal sagen, die Mehrheit der türkischen Muslime sei für den Krieg, betonte der Kardinal. Türken, die hier wohnten, hätten das Recht, sich politisch zu organisieren. Ein Staat solle aber nicht die “Religion benutzen”.
Beim traditionellen “Kreuzweg der Völker” in der Münchner Innenstadt am Karfreitag appellierte Marx vor allem an die Christen in Deutschland, auf Muslime und Nicht-Glaubende zuzugehen. “Es scheint mir wieder neu eine Zeit der verbalen, politischen und militärischen Aufrüstung zu sein”, sagte er. Stärke werde demonstriert; auch gelte die Logik von Gewinnern und Verlierern. Als Sieger sehe sich, wer am lautesten, deutlichsten und mächtigsten seine Interessen vertrete, beklagte der Erzbischof von München und Freising. “Man will Frieden schaffen, so sagt man, mit immer mehr Waffen. Wie soll das gehen? Ich kann eine solche Logik nicht akzeptieren.”
Laut dem bayerischen Landesbischof Bedford-Strohm ist die Islam-Debatte zu kurz gegriffen. “In Deutschland leben 4,5 Millionen Muslime. Da ist interreligiöser Dialog nicht Kür, sondern Pflicht. Wir sollten darüber reden, wie wir miteinander umgehen wollen”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Millionen Muslime würden sagen, dass Deutschland ihr Land sei, so der EKDRatsvorsitzende.
Thomas Sternberg erklärte in der “Passauer Neuen Presse” (Samstag), er distanziere er sich von der Aussage des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), der Islam gehöre nicht zu Deutschland. “Es beunruhigt mich sehr stark, dass versucht wird, Problemlagen auf eine Religion zu übertragen.” Das habe es in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schon einmal gegeben: “Damals wurden Pauschalurteile über Juden in die Welt gesetzt. Das hat es den Nazis ermöglicht, den Antisemitismus bis zum größten Verbrechen der Menschheit weiterzutreiben”, kritisierte der ZdKPräsident scharf.
(KNA – sknnk-89-00063)