CIBEDO-Beiträge 03/2008

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

im christlich-islamischen Dialog trifft man immer wieder auf höchst unterschiedliche Charaktere. Eine häufig vertretene Spezies sind jene „Dialogpartner“, die der anderen Seite partout nicht über den Weg trauen und sie schon der Lüge bezichtigen, wenn sie nur tief Luft holen.Und dann gibt es die sogenannten Gutmenschen, die im Namen von Multi-Kulti vollmundig und blauäugig die Werte aller Religionen und Kulturen im Schoße der Menschlichkeit harmonisch vereint sehen wollen. Menschen wie ich, die zwischen diesen beiden (verwandten) holzschnittartigen Weltbildern differenzieren, sind im interreligiösen Dialog recht selten vertreten und werden von beiden Gruppierungen oft genug einfach der anderen Seite zugeordnet.

Ich möchte mich hier einmal etwas näher mit der Partei der „Gutmenschen“ beschäftigen, zumal ich mich unlängst wieder einmal mit einem Archetyp dieser Spezies auseinanderzusetzen hatte. Ich sehe bei den multi-kulti-besessenen Gutmenschen einen Narzissmus vorherrschen, der sie vermeintlich aus der Masse der spießigen Kleinbürger empor hebt und zu alles-verstehende Übermenschen macht, die sich nicht im kleinlichen Beobachten und Aufrechnen verlieren. Sie erheben sich mit ihrer Weitsichtigkeit und ihrem Verständnis und Zugang zu anderen Religionen über die Masse und erklimmen den Olymp des Weltmenschen und des Weltverstehers. Sie sind die wahren Großherzigen und Kulturvermittler, die die Niederungen der Kleingeister überwinden und zu wahren großherzigen Aktionen fähig sind. Gleichzeitig vermitteln sie ihren Gegenübern das Gefühl der Kleinherzigkeit, Borniertheit und begrenzten Erkenntnisfähigkeit. Indem sie durch einen einfachen Willensakt deutlich machen, alles verstehen zu können, vermitteln sie ihren Gegenübern im Dialog ihre Begrenztheit, Spießigkeit und Kleinheit.

Der christlich-islamische Dialog braucht mehr Realisten. Er braucht Dialogpartner, die gravierende Differenzen wahrnehmen, thematisieren, und sie fair in den Dialog einbringen. Seien wir doch ehrlich, Christen und Muslime haben oftmals einen unterschiedlichen Blick auf die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Das lässt sich doch nicht durch einen einfachen Willenakt unter den Teppich kehren. Aber wir müssen mit dem Mut zur Unterschiedlichkeit die Themen ehrlich ansprechen und sie mit Wohlwollen und Vertrauen angehen. Ohne Vertrauen geht im interreligiösen Dialog nix.

Herzlichst

Ihr

Peter Hünseler

 

Inhaltsverzeichnis

Editorial 2

Studien 

Gewalt und ihre Überwindung im Neuen Testament

von Johannes Beutler SJ    4

Das Präsidium für Religionsangelegenheiten und das Prinzip des Säkularismus in der Türkei

von Ahmet Hadi Adanali    9

Das Recht auf Religionsfreiheit im Widerstreit

von Marianne Heimbach-Steins    16

 

Dokumentation

Antwort des Erzbischofs von Canterbury auf den offenen Brief der 138 muslimischen Gelehrten    22

Gemeinsame Erklärung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog (Vatikan) und des Centre for Interreligious Dialogue of the Islamic Culture and Relations Organisation (Tehran, Iran)    34

 

Bericht

Bericht zur Tagung anlässlich des 70. Geburtstags von Prof. Dr. Christian W. Troll SJ

von Salvatore Di Noia    35

 

Buchbesprechung

Nasr Hamid Abu Zaid (mit Hilal Sezgin): Mohammed und die Zeichen Gottes. Der Koran und die Zukunft des Islam

von Gabriele Lautenschläger    37

Hansjörg Schmid, Andreas Renz, Jutta Sperber und Duran Terzi (Hrsg.): Identität und Differenz. Wechselseitige Abgrenzungen in Christentum und Islam

von Joachim Valentin    38

Richard Heinzmann, Mualla Selçuk und Felix Körner (Hrsg.): Menschenwürde. Grundlagen in Christentum und Islam von Paul Tiedemann    39

 

Literaturhinweise    41

Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek    44

Zeitschriftenschau    45