CIBEDO-Beiträge 03/2016

Liebe Leserinnen und Leser,316
die gesellschaftlichen und politischen Ereignisse inDeutschland und der Türkei zeigen, wie eng die wechselseitigen Beziehungen der beiden Länder sind und wie unmittelbar sich die Ereignisse in dem einen Land auf das andere auswirken. Die Resolution des Bundestags zum Völkermord an den Armeniern und der gescheiterte Putschversuch in der Türkei zeigen das deutlich. Ersteres verursachte eine politische Krise, die noch nicht überwunden ist. Die Folgen: Abberufung des türkischen Botschafters aus Berlin sowie Anfeindung der türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten, die für die Resolution gestimmt haben.
Der zum Glück gescheiterte Putschversuch wirft seinen Schatten auch nach Deutschland und treibt einen Keil in die türkischstämmigen Gemeinschaften: Erdoğan- Sympathisanten gegen den Rest, vor allem gegen (vermeintliche) Anhänger der Gülen Bewegung. Die Türkei wirft dem in den USA leb enden islamischen Prediger vor, eine Terrororganisation à la IS gegründet zu haben und hinter dem Putsch zu stecken. Ein Putschist, so wird behauptet, ist ein Landesverräter, deshalb kann diese Person auch nicht als Muslim gelten. In Istanbul wurde ein separater Friedhof für die getöteten „Putschisten“ eingerichtet, denen die rituelle islamische Bestattung ver weigert wurde.

Eine frag würdige Ansicht, die eigentlich eine islamisch-theologische Antwort verlangt, die bisher von Seiten der Diyanet ausgeblieben ist. Jemanden zu einem Ungläubigen erklären (takfīr) kennt man aus salafistischen Kreisen, die ihre Gegner diffamieren. In zwei DITIB -Moscheen in Brakel und Hagen-Haspe sind Aushänge angebracht worden, auf denen in Bezug auf die Gülen-Anhänger stand: „Landesverräter
haben keinen Glauben“ („vatan hainlerinin imanı yoktur“). Ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen bei DITIB in Köln diese Praxis unterbinden und gegen die Haltung langfristige Maßnahmen treffen werden.

Die DITIB -Moschee in Brakel trägt den Namen „Mevlana  Camii“. Mevlana Celaleddin Rumi – so wird der große islamische Mystiker in der Türkei genannt, dessen Mausoleum in Konya liegt. Auf Rumi wird der Spruch „gel, gel ne olursan ol yine gel“ (Komm! Komm! Wer du auch immer bist! Komm!) zurückgeführt. Er sehnte sich danach, dass unter den Muslimen – und über die Religionsgrenzen hinweg in der  ganzen Menschheit – Einheit und Eintracht herrscht. Wir beobachten mit angehaltenem Atem, wie rasant die türkische Gesellschaft weiter auseinanderdriftet und wie dies auch in Deutschland spürbar wird. Die Fronten erhärten sich, die  Auseinandersetzung geht weiter. Es mischen sich neue Themen ein – Burka, Burkini, Niqab, Tschador … Bewegende Zeiten, hitzige Diskussionen. Mehr Besonnenheit und Sachlichkeit könnte uns allen in den Debatten guttun.

Wir gratulieren unserem Redaktionsmitglied JProf. Dr. Tobias Specker SJ, der mit dem Pax-Bank-Preis 2016 für seine Leistungen auf dem Gebiet des interkulturellen und interreligiösen Dialogs ausgezeichnet wurde.
Viel Freude bei der Lektüre dieses Heftes!

Ihr Timo Güzelmansur

 

Inhalt

Studien
Die Krise des christlich-islamischen Dialogs im Kontext der Umwälzungen in der arabischen Welt
Fadi Daou 90

Trialogische Religionspädagogik? Lernperspektiven für Juden, Christen und Muslime
Georg Langenhorst 97

Möglichkeiten und Grenzen interreligiöser Bioethik. Diskursethische Überlegungen zum christlich-islamischen Dialog
Richard Mathieu 102

Dokumentation
Lehrt uns, im Dialog zusammenzuleben!
Papst Franziskus, 30. Juli 2016 108

Religionen im Dialog. In der Verantwortung für den Menschen
Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, 27. Mai 2016 111
Ramadanbotschaften

Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog 114
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 116
Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland 117
Bundespräsident 118

Berichte
„Der Dialog mit dem Islam – Grundlegung, Chancen und Herausforderungen“.
Jahrestagung Weltkirche und Mission 2016
Michael Altmaier 119

Muslime als Partner in Baden-Württemberg. Erfahrungen aus kommunalen Kontexten
Tim Florian Siegmund 121

Als Imam im „Garten der Gottesmutter“. Begegnungen mit dem orthodoxen Mönchtum auf dem Heiligen Berg Athos
Abdelmalek Hibaoui 124

Buchbesprechungen
Fethi Meskini: Der andere Islam. Kultur, Identität und Demokratie
Markus Kneer 127

Klaus von Stosch/Ann-Christin Baumann (Hg.): Ehe in Islam und Christentum
Nora Kalbarczyk 128

Literaturhinweise 131
Zeitschriftenschau 132

 

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