Moscheevereine und Kulturzentren. Islamische Verbände in Deutschland sind sehr unterschiedlich

Von Christoph Arens (KNA) Bonn (KNA) In Deutschland leben nach Schätzungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Deutschen Islamkonferenz bis zu 4,7 Millionen Muslime. Eine verlässliche Statistik gibt es nicht, da der Islam keine eingetragenen Mitgliedschaften kennt. Zunehmend haben sich Muslime in der Bundesrepublik auch zu Moscheegemeinden, Interessengruppen und Verbänden zusammengeschlossen. Auf Drängen der deutschen Politik, die im Vorfeld der Deutschen Islamkonferenz einen einheitlichen Ansprechpartner suchte, gründeten die vier größten Verbände 2007 den Koordinierungsrat der Muslime (KRM) als Koordinationsgremium. Umstritten ist allerdings, wie repräsentativ die Verbände sind. Kritiker argumentieren, dass nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland überhaupt organisiert sei. Liberale Muslime kritisieren, die großen Verbände verträten einen sehr konservativen Islam und seien nicht legitimiert, im Namen aller Muslime zu sprechen. 2010 wurde deshalb auch ein Liberal-Islamischer Bund (LIB) gegründet. Die großen Islamverbände orientieren sich zumeist an den religiösen Strömungen und Institutionen in ihren Herkunftsländern. Der mit Abstand größte Verband ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Sie vertritt nach eigenen Angaben über 900 Moscheegemeinden und behauptet von sich, über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime zu repräsentieren. Mittwoch, 15. Februar 2017 Seite 40 Die Ditib wird vom türkischen Religionsministerium Diyanet mitfinanziert und gelenkt. Der Ditib-Vorsitzende ist in Personalunion stets auch türkischer Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten. Nach dem Putsch in der Türkei im Juli vergangenen Jahres werden die Vorwürfe immer lauter, die Ditib sei der verlängerte Arm von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Die Gemeinden werden durch vom türkischen Staat besoldete Vorbeter (Hodschas) betreut. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) ist ein Zusammenschluss von derzeit 35 muslimischen Dachorganisationen, 300 Moschee-Gemeinden und Einzelmitgliedern. Der ZMD betont seine innere Vielfalt: So seien dort sowohl Schiiten als auch Sunniten vertreten, darunter Türken, Araber (Marokkaner), Deutsche, Albaner, Iraner, Afrikaner und Bosnier. Sein Vorsitzender, Aiman Mazyek, ist bestens in der Gesellschaft vernetzt und gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten der Muslime in Deutschland. Im 1986 gegründeten Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland sind nach eigener Darstellung 25 Gemeinschaften mit über 400 Moscheegemeinden vertreten. Dazu kommen über 1.000 Einrichtungen, die sich der Frauen-, Jugend- und Sozialarbeit widmen, sowie Bildungseinrichtungen, Eltern-und Nachhilfevereine. Der Verband bekennt sich zum Grundgesetz. Sein größtes Mitglied, die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, wird allerdings von einigen Verfassungsschutzämtern wegen Islamismus-Verdacht beobachtet. Der 1973 gegründete Verband der Islamische Kulturzentren (VIKZ) ist der älteste islamische Dachverband Deutschlands. Er vertritt einen sunnitischen Islam mit mystischer Prägung. Mit 300 Moschee- und Bildungsvereinen gilt der VIKZ als unpolitisch und tief religiös. Eine Sonderrolle spielen die Aleviten: Sie sind eine Glaubensgemeinschaft, die sich im 13. und 14. Jahrhundert in Anatolien aus dem schiitischen Zweig des Islam entwickelt hat, aber von den großen Strömungen des Islam nicht als vollwertig anerkannt wird. Die rituelle Gottesverehrung des Mehrheitsislam lehnen die Aleviten ab. Vorschriften der Scharia und die fünf Säulen des Islam – etwa die täglichen Pflichtgebete oder das Fasten im Ramadan – halten sie für unwichtig. Im Mittelpunkt ihrer esoterisch geprägten Lehre, die keinem zentralen Dogma folgt, stehen ethische Aspekte. In Deutschland leben derzeit rund 800.000 Aleviten. In mehreren Bundesländern sind sie als Religionsgemeinschaft anerkannt und dürfen Religionsunterricht anbieten.

(KNA – rkmlp-89-00090)