Jakartas katholische Uni – Beispiel für religiöse Toleranz. Wie Indonesier verschiedenen Glaubens gemeinsam studieren

Von Michael Lenz (KNA) Jakarta (KNA) Indonesien ist die Nation mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt, zugleich aber auch ein multireligiöses und multikulturelles Land: Während in Jakarta radikale Islamisten versuchen, die Wiederwahl des christlichen Gouverneurs Basuki “Ahok” Tjahaja Purnama zu verhindern, setzen sich viele Menschen aller Religionen für Toleranz ein. Besonders deutlich wird dies bei einem Besuch der 1960 gegründeten katholischen Universität Atma Jaya in der indonesischen Hauptstadt. Fiana Basuli Simatupang ergreift zur Begrüßung nicht die gereichte Hand. Stattdessen faltet sie die Hände vor der Brust und verbeugt sich leicht. Als Muslima reicht sie Männern grundsätzlich nicht die Hand. Die 21 Jahre alte Frau mit dem schwarzen Kopftuch vertritt jedoch auch fortschrittliche Ansichten. Sie studiert an der Atma-Jaya-Uni Verfassungsrecht und internationales Recht. Für die katholische Uni hat sie sich entschieden, weil “ich Toleranz mag” und die “Dozenten gut und weise sind”. “Atma Jaya” bedeutet in etwa “Herrschaft des Geistes”. Das Gros der rund 13.000 Studenten sind katholische Indonesier. “Bei uns studieren aber auch Muslime, Buddhisten und Hindus”, sagt Frans Sihol Siagian. Dem Dozenten für Philosophie und Kommunikation ist beim Gespräch in einem Studentencafe des Karol-Wojtyla-Gebäudes anzumerken, wie stolz er auf die gemischte Studentenschaft ist. Mit Freude erzählt der Wissenschaftler, dass er als einziger katholischer Gastdozent an der islamischen Ibn-Khaldun-Universität Vorlesungen über Philosophie und die “Pancasila” genannten fünf Prinzipien der indonesischen Nationalideologie hält. “Die Pancasila definiert Indonesien als einen Staat, zu dessen Grundlagen die Religion, aber auch der Säkularismus gehören”, erklärt Siagian. “Religion bezieht sich dabei auf alle Religionen, nicht nur auf den Islam.” Siagians Arbeitsumfeld und sein familiärer Hintergrund sind ein Spiegel der indonesischen Gesellschaft. Er ist Spross einer katholischen Batak-Familie aus dem Norden Sumatras. “Aber meine Brü- der sind Muslime. Jeder hat die Freiheit, seine Religion zu wechseln”, sagt Siagian, der als Vizepräsident der katholischen Laienorganisation FMKI aktiv den Dialog mit anderen Religionen sucht. Mohammed Hafizh Ibrahim, Spitzname Bram, hält die für Muslime obligatorischen fünf Gebetszeiten am Tag strikt ein. Das Prozedere beginnt für ihn um halb fünf Uhr morgens. “Mein Vater weckt mich rechtzeitig”, sagt Bram. Der Vater sei es auch gewesen, der dem 19 Jahre alten Psychologiestudenten aus Bekasi die katholische Universität empfohlen habe, weil sie “eine der besten Unis Indonesiens ist”. Auf den Bänken des überdachten, nach zwei Seiten offenen Forums auf dem Campus der Uni hocken Studenten in Grüppchen zusammen. Manche plaudern, anderen starren mit ernsten Gesichtern auf ihre Laptops. Neben einer meterhohen, bronzenen Christusfigur sind Steckdosen zum Aufladung von Smartphones angebracht. Bram, Mitglied der als gemäßigt geltenden muslimischen Organisation Nahdlatul Ulama (NU), genießt die Atmosphäre wissenschaftlicher Toleranz. “Am Anfang war es ein komisches Gefühl, plötzlich in der Minderheit zu sein”, gesteht der Student. “Aber man gewöhnt sich daran und man lernt zu verstehen, wie sich Minderheiten fühlen müssen.” Gabriela Angela macht die gegenteilige Erfahrung. Als Katholikin gehört sie an der Atma-Jaya-Uni zur Mehrheit. Strengreligiös wirkt die 18-Jährige allerdings nicht. “Na ja, meine Eltern nehmen mich am Sonntag mit zum Gottesdienst”, sagt sie und grinst verlegen. Ein wenig Angst mache ihr derzeit das angespannte politische Klima in Jakarta. “Die Vermischung von Religion und Politik ist nicht gut für unser Land”, sagt sie. Das sehen ihre muslimischen Kommilitonen ähnlich. Fiana ist der Meinung: “Muslime können auch einen Nicht-Muslim wählen, solange der tolerant gegenüber allen Religionen ist.” Bram fügt mit Entschiedenheit hinzu: “Jakarta ist eine multikulturelle Stadt und Ahok ein guter Politiker. Das allein zählt.”

(KNA – rkmmo-89-00092)