Islam-Experte: Unangenehme Wahrheiten müssen benannt werden

München (KNA) Der muslimische Theologe Abdel-Hakim Ourghi fordert Kirchen und Politik zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Islam auf.

Er habe Respekt davor, “wie sehr die Politiker der etablierten Parteien und die beiden Kirchen um Dialog mit den konservativen Dachverbänden bemüht sind”, schreibt er in einem Beitrag für die “Süddeutsche Zeitung” (Dienstag). Er sehe jedoch die Gefahr, dass Kritik und “unangenehme Wahrheiten nicht ausgesprochen werden, um nicht den Zorn der muslimischen Minderheitsgesellschaft auf sich zu ziehen”.

Wenn Entscheidungsträger zu defensiv agierten, könne sich ein konservativer Islam etablieren, warnte Ourghi: “ein Islam, der mit einer säkularen und pluralistischen Staatsordnung und den damit verbundenen Werten nicht vereinbar ist”. Politik und Kirchen sollten “zwischen einem modernen und humanistischen Islam auf der einen und einem orthodoxen und archaischen Islam auf der anderen Seite unterscheiden”, mahnte der Wissenschaftler, der Mitbegründer der liberalen Ibn-RushdMoschee in Berlin ist. Von Muslimen forderte Ourghi mehr Selbstkritik.

Bislang fühlten sich viele Muslime auch bei differenzierter Kritik “in ihrer religiösen Ehre verletzt”. Diese Haltung verschlimmere die Lage jedoch: “Kritik muss ein Teil unserer kollektiven Identität werden, andere Meinungen dürfen nicht als Infragestellung des Eigenen betrachtet werden. Wir wollen ernstgenommen und respektiert, aber nicht ständig bedauert werden.” Die Mehrheit der Muslime sei friedlich, “und keiner bezweifelt das”, betonte Ourghi.

“Beschönigung und Rechtfertigung anstelle von Aufklärung und Reform sind aber letztlich ein Bestandteil des Problems.”

(KNA – rlmll-89-00072)