Wien (KNA) Angesichts einer “taumelnden Welt” haben deutschsprachige Theologen mit Ex-Bundesministerin Annette Schavan einen Friedensappell zum Schulterschluss der Religionen veröffentlicht. Mehr denn je brauche es deren gemeinsamen Einsatz für Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit, heißt es in dem internationalen Aufruf, den der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner gemeinsam mit dem Prager Religionssoziologen Tomas Halik und Schavan am Mittwoch veröffentlichte.
In dem Appell “Religionen – Hoffnung für eine taumelnde Welt” wird betont, dass die Weltreligionen für Millionen Menschen bis heute “Quellen der Hoffnung und der Kraft” seien, um “Angst, Egoismus und Resignation zu überwinden”. Sieböten “Inspiration für ein universell-solidarisches Leben”. Die Herausforderungen, vor denen die Welt und die Menschheit stehen, seien dramatisch und reichten von “barbarischen Kriegen” über ein Aufflammen atomarer Gefahr bis hin zu Klimakrise, Armut und Hunger, anhaltenden Fluchtbewegungen sowie zu einer “Informatisierung” der Gesellschaft, die das soziale Gefüge “ähnlich verändert wie die Industrialisierung”. Diese Krisen ängstigten die Bevölkerung; “Angst aber entsolidarisiert, schafft eine Atmosphäre wachsender Rivalität”, so die Verfasser. Hass, Gewalt, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit seien die Folge.
Weiter heißt es: “In dieser Weltlage halten wir (…) mit vielen Menschen guten Willens Ausschau nach Kräften, die helfen, in der Angst zu bestehen und couragiert die Herausforderungen anzunehmen.” Quellen der Hoffnung böten die Weltreligionen, da sie Träger der “großen Sehnsucht nach einer geeinten Menschheit in Gerechtigkeit und Frieden” seien – eine Botschaft, die “nichts an Kraft verloren” habe und Menschen motivieren könne.
Christentum und Islam könnten aber nur dann diese Kraft aufbringen, so die Unterzeichner, wenn sie Bereitschaft zu “kritischer Selbstreflexion” und “innerer Reform” zeigten, erinnert der Aufruf. Allzu oft seien Religionen schließlich zuletzt “Teil des Problems und nicht Teil der Lösung” gewesen, was sich in einer Vertrauenskrise zeige, die Christentum wie Islam erfasst habe.
“Wahre Religion” verwandele Gewalt in Liebe, heißt es in dem Aufruf weiter; daran müssten sich alle Religionen messen lassen können, ebenso wie an ihrer Bereitschaft, Rivalität zu überwinden, sich um eine Kultur von gegenseitiger Anerkennung und Respekt zu bemühen und in Demut “kollektiven Narzissmus” zu überwinden.
“Religionen schüren die Hoffnung, dass die gegenwärtigen Herausforderungen, welche die Welt taumeln lassen, nicht der Todeskampf der Erde und der Menschheit sind, sondern Geburtswehen einer Welt, in der Volker in Gerechtigkeit und Frieden in Harmonie mit der Natur leben”, heißt es abschließend.
Unterzeichnet wurde der Aufruf bislang vom kanadischen katholischen Philosophen Charles Taylor, dem US-Religionssoziologen Jose Casanova, dem Vizepräsidenten des World Jewish Congress, Maram Stern, der Generalsekretärin von Religions for Peace, Azza Karam, und anderen.
Offener Brief: Religionen – Hoffnung für eine taumelnde Welt.
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