Von Joachim Heinz (KNA) Bonn (KNA) “Das Gebot des Fastens ist für alle Muslime bindend, die aus Sicht des islamischen Rechts als mündig (mukallaf) angesehen werden können, also erstens geistig gesund und zweitens in die Pubertät eingetreten sind.”
Dieser Satz aus einer Broschüre des Islamrats über “Fasten in der Schule” sorgte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Zumal der Islamrat eine allgemeine Befreiung vom Fasten für muslimische Schüler über das Alter von etwa 14 Jahren ausschloss. Es komme auf den “Einzelfall” an. Eine klare Ansage, die sich mit der Überlieferung des Koran deckt. Und die der IslamratsVorsitzende Burhan Kesici vor dem diesjährigen Ramadan, der am Samstag beginnt, noch einmal bekräftigt. Ausnahmen sind laut Sure 2, Vers 185 zulässig, “wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet”.
Hinzu kommen nach gängiger Lesart Kinder unter 14, Schwangere und alte Menschen. Was aber, wenn schon Grundschüler anfangen, den Tag über auf die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten? Oder wenn Gymnasiasten bei sommerlichen Temperaturen entkräftet zu ihren Klausuren erscheinen? Es könne sinnvoll sein, “auch jüngere Schüler an das Fasten heranzuführen, indem beispielsweise für einen bestimmten Zeitraum des Tages gefastet wird”, sagt Kesici. Und wenn ältere Schüler darauf achteten, nach Sonnenuntergang im Rahmen des gemeinsamen Abendessens “Iftar” genügend zu essen und zu trinken, “sollte es keine Probleme geben”.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht das etwas kritischer. “Wir respektieren die Ausübung religiöser Vorschriften”, sagt der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. “Es ist aber eine Grenze überschritten, wenn die Gesundheit der Kinder und der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule leiden.”Offen ist, welchen Umfang das Problem überhaupt hat – und ob etwa mit dem Zuzug von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern vermehrt Schüler in den Klassenzimmern zwischen Flensburg und Passau während des Ramadan fasten. “Ich kann nicht einschätzen, ob sich deren Zahl verändert oder erhöht hat”, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Lage ähnlich aus. Den VBE erreichten im vergangenen Jahr laut eigenen Angaben vermehrt Anfragen von Grundschullehrern; einzelne Landesverbände halten Broschüren zum Ramadan bereit. Bernd Ridwan Bauknecht gibt seit 14 Jahren Islamkunde beziehungsweise Islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen. “Meiner Ansicht nach hat sich da wenig verschoben”, sagt der Pädagoge. Es gebe allerdings Fälle, wo muslimische Schüler ihre Klassenkameraden gleichen Glaubens kontrollierten. “Manche wollen an einer belegten Zunge erkennen, dass der Betreffende nicht fastet.” Wo so etwas passiere, gehe er dazwischen.
Das Fasten sei eine persönliche Sache zwischen dem Einzelnen und Gott, so Bauknecht. “Es gibt keinen Zwang im Glauben.” Im Schulalltag rät Bauknecht zu Toleranz – auf beiden Seiten. So ließen sich Schulfeste bei rechtzeitiger Planung vielleicht außerhalb des Ramadan legen. Aber Klassenfahrten etwa könnten muslimische Schüler problemlos mitmachen. “Dann greift ohnehin die im Koran festgehaltene Ausnahme bei Reisen.”
Der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib wünscht sich, dass die Gesellschaft das Fasten im Ramadan “wohlwollend und verständnisvoll” begleitet. “Selbstbewusste, gläubige Jugendliche sind besser gegen Extremismen und Radikalismus jeglicher Couleur gewappnet”, sagt Generalsekretär Bekir Alboga. “Daher appellieren wir, den jungen Menschen den Willen zum Fasten nicht zu verwehren.” Allerdings: Die Schulpflicht gilt auch während des Ramadan, wie der VBE-Vorsitzende Beckmann betont. “Obwohl die Schulleitung im Einzelfall entscheiden kann, Kinder von einzelnen schulischen Veranstaltungen, etwa einem Sportfest, aus religiösen Gründen zu befreien.” LehrerverbandsPräsident Kraus verweist auf Probleme in der Praxis: “Schule kann wegen der Dichte des Schuljahres weder bei Prüfungsterminen noch im Sportunterricht auf den Ramadan Rücksicht nehmen.”
(KNA – rkpmm-89-00110)