Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke im Interview

Lampenfieber und Sperrvermerke in Rom

Er ist der wohl bekannteste deutsche Weihbischof – und mittlerweile emeritiert: der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Im Interview spricht er über Lampenfieber, Sperrvermerke in Rom – und seine Rolle als “Medienlibero”.

domradio.de: Der Hamburger Alt-Erzbischof Werner Thissen hat Sie zu Ihrem silbernen Bischofsjubiläum als “Medienlibero in der Deutschen Bischofskonferenz” geadelt. Anerkennend sprach er Ihnen zu, dass Sie in Talkshows verteidigen und angreifen können. Finden Sie, es ist ein schönes Bild, als Medienlibero der Bischofskonferenz gesehen zu werden?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke (emeritierte Weihbischof aus Hamburg): Ja, das tut mir ganz gut. Und ein Libero hat viele Einsatzmöglichkeiten. Aber ich möchte es auch noch tiefer sehen: Ein Libero muss auch ein freier Mensch sein, kein Ideologe. Der Libero muss seinen eigenen Geist entfalten können, er darf nicht nur verteidigen oder dagegen klotzen, er muss manchmal elegant sein. Zu den Medien gehört das offene, das ehrliche Wort, nicht der Kampf miteinander. Klar muss man sich auch schon mal die Meinung sagen, aber Medien brauchen Freiheit. Ohne Freiheit können Medien nicht leben, auch kirchliche Medien nicht. Medien sind doch keine Verlautbarungsorgane.

domradio.de: Sie pflegen einen unüblichen Umgang mit den Medien. Mir scheint es, dass Sie keine Angst vor Medien oder einer Talkshow haben. Sie haben das sehr lange und sehr oft gemacht und sind dadurch bekannt geworden. Wie kommt es, dass Sie keine Furcht haben, denn gerade viele Menschen aus der Kirche haben vor den Talkshows und dem, was da passiert, Angst?

Jaschke:  Naja, man soll auch nicht übertreiben. Ich habe schon Lampenfieber, wenn ich in eine Sendung reingehe, gerade bei kritischen Themen und mit Menschen, die viel aushalten mussten und auch zu Recht aggressiv reagieren. Und ich schlafe dann nicht so ganz ruhig vorher – und danach auch nicht.

domradio.de: Aber der Unterschied ist, dass Sie es machen…

Jaschke: Es heißt in der Bibel in dem Ersten Petrusbrief: “Gebt jedermann Rechenschaft für euren Glauben”. Und Rechenschaft heißt ja nicht, dass ich etwas verteidige. Wenn der Glaube wirklich wahr ist, dann habe ich nichts zu verbergen und dann muss ich ja über die Wahrheit reden und wahrhaftig sein. Das Schlimme bei Kirchen im medialen Erscheinungsbild ist sehr oft eine Mentalität des Verschweigens, auch der Verkleisterung und des Drum-Herum-Redens. In dieser Hinsicht tut uns ja auch der neue Papst so gut, indem er direkte Worte spricht. Manche erschrecken dann. Insofern bin ich sehr dankbar, dass wir ihn haben.

domradio.de: Irgendwann haben Sie an einer Stelle auch einmal gesagt, Sie hätten für Ihre Äußerung sicher einen Sperrvermerk in Rom bekommen. Merken Sie denn, wenn Sie das Wahre einfach bezeugen, dass es dann schwerer für Sie wird?

Jaschke: Ja, aber wenn dann erst einmal dieser Rubikon überschritten ist, was soll mir dann noch passieren? Und damit keine Missverständnisse entstehen, wenn vom Sperrvermerk in Rom die Rede ist, dann war das vor der Entscheidung des Papstes, dass die Kirche sich nicht berechtigt sieht, Frauen zu weihen. Das werde ich heute natürlich immer vertreten. Ich würde sagen, die Kirche sieht sich nicht berechtigt, das hat der Papst erklärt. Aber es könnten ja auch neue Sichten dazu kommen – und wir müssen Ämter für die Frauen neu entdecken. Ich will selbstverständlich schon ein Mann sein, der auf dem Boden der Kirche steht. Ich bin kein Revoluzzer, der alles um die Ohren haut – aber ich bin authentisch und wahrhaftig.

domradio.de: Sie haben eben schon gesagt, dass Sie manchmal nicht gut schlafen, je nachdem was es für ein Thema ist. Wann ist es Ihnen denn besonders nahe gegangen?

Jaschke: Das war in der Talkshow “Nachtcafé” in Baden-Baden. Da saß ein schon alt gewordener Mann, Sohn eines Priesters, unter den Gästen. Sein Vater hat ihn immer verleugnet. Das ist mir sehr schwer gefallen. Weil ich auch gesehen habe, wie so ein Junge die Kirche erlebt haben muss. Sein Vater hat ihn nicht akzeptiert. Dort saß auch ein Sekretär aus der Glaubenskongregation. Aber nicht so jemand wie der Charamsa (Anm. d. Red.: Krzysztof Charamsa ist ein polnischer Theologe und suspendierter römisch-katholischer Priester, der sich als homosexuell outete), der sich auf einmal geoutet hat und die Kirche reformieren wollte, indem er alles Schwule salonfähig machen wollte. Die Kirche sollte eine Umkehr vollziehen und den Schwulen zu ihrem Recht verhelfen. So ganz Unrecht hatte er ja nicht, der Charamsa. Und noch ein älterer Priester saß da, der ein Kind gezeugt hatte und sich der Tochter gegenüber, glaube ich, nicht ganz so gut verhalten hat. Er hat sie nicht so richtig anerkannt. Aber dann im höheren Alter hat er sich neu verliebt und ist eine neue Bindung eingegangen. Ja, das ist schon schwer.

Ich glaube in dieser Sendung oder einer Vorgängersendung war auch ein junges Paar, zwei ganz sympathische Jugendliche, ein homosexuelles Paar, aber im guten Sinne, das von ihren Erfahrungen redete. Der eine ist freikirchlich groß geworden, wo das Homosexuelle verteufelt wurde. Sie haben dann einen Befreiungsschritt gemacht. Wenn man die jungen Leute dann sieht, kann ich doch nicht sagen, ihr seid vom Bösen besessen. Man muss die Menschen mit einem guten Blick wahrnehmen.

Man muss einerseits verständlich machen, warum die Kirche sagt, dass für uns die Grundform von Sexualität die von Mann und Frau ist. Aber es gibt eben auch andere Menschen. Und der liebe Gott hat sie auch zu seinen Kindern erwählt und ich kann sie doch nicht verteufeln. In solchen Sendungen ist es mir zum Teil angesichts der Schicksale, die manche ausgehalten haben, wie sie auch unter der Kirche gelitten haben, aber auch im Versuch, noch ja kirchlich zu bleiben, schwer gefallen. Ich will ja die kirchliche Ordnung festhalten, so wie der Papst auch, aber wir müssen barmherzig mit ihr umgehen und nicht ein dogmatisches System aufbauen, das den Menschen erstickt.

domradio.de: Eine Verteufelung passt auch nie zu dem wichtigsten aller Gebote, so denke ich, zur Liebe, oder?

Jaschke: Richtig.

Das Interview führte Angela Krumpen und ist ein kurzer Auszug aus der Sendung Menschen vom 06.12.2016. Komplett nachzuhören hier.

(dr)