“Wir sind die Christen des Ostens”

Von Karin Leukefeld (KNA)

Damaskus (KNA) Der Verkehr am Bab-Touma-Platz in Damaskus wird umgeleitet, die Einfahrt in die Altstadt ist gesperrt. Soldaten und Polizisten stehen an Kreuzungen und vor den Kirchen. Am BabTouma-Tor werden die Taschen von Soldatinnen kontrolliert. Die Sicherheitsstufe ist hoch, denn nur wenige Kilometer weiter östlich kontrollieren islamistische Kampfgruppen weiterhin die Vororte von Jobar, Qaboun, Barzeh und die Satellitenstadt Douma.

Fast täglich fliegen Mörsergranaten nach Damaskus herein, während Armee und Luftwaffe umgekehrt Waffendepots, Tunnel und Einsatzzentralen der Kämpfer bombardieren. Ein seit langem verhandelter lokaler Waffenstillstand für die Vororte wird von der Nusra-Front, IS-Anhängern und anderen Extremisten blockiert. Doch in diesem Jahr wollen die Menschen in Damaskus sich nicht davon abhalten lassen, Ostern zu feiern.

In Erinnerung an die Nacht der Kreuzigung zogen sie am Gründonnerstagabend durch die Kirchen, die zwischen dem Thomas- und dem Osttor liegen, Bab Touma und Bab Scharki. Sieben Kirchen werden an diesem Abend besucht, erklärt Joseph, der in Bab Touma wohnt: “Damit wird an die sieben Stationen auf dem Leidensweg von Jesus an diesem Abend erinnert: Jesus wäscht den Jüngern die Füße, feiert das Abendmahl, er wird festgenommen, verhört und ausgepeitscht, er wird gekreuzigt und begraben.”

Vor der römisch-katholischen Kirche auf der Bab-Touma-Straße empfangen Jugendliche in feschen Uniformen die Besucher. Sie bieten Hilfe an, teilen kleine Zettel mit geistlichen Gedanken und Bildern aus. Er sei extra jetzt zu Ostern aus Dubai gekommen, erzählt der 23-jährige Alexandre. Er lebe mit seinen Eltern in dem Golfstaat und arbeite dort auch, doch Damaskus sei seine Heimat. Wenige Schritte weiter stellen junge Männer Kerzen entlang der Häuser einer schmalen Gasse auf. “JMV” ist auf den Tüten zu lesen, die mit Sand gefüllt sind, damit die Kerzen Halt haben.

Die Abkürzung steht für “Jeunesse Mariale Vincentienne”, ein Zusammenschluss junger Christen. “Wir stellen die Kerzen hier auf, damit die Besucher unsere Kirche gut finden”, erklärt Naji, ein 18- jähriger Medizinstudent. Ob die Kämpfe, die nur wenige Kilometer weiter im Osten der Stadt anhalten, ihn nicht beunruhigen? “Es dauert jetzt schon so viele Jahre und irgendwie haben wir uns daran gewöhnt”, antwortet er.

Auf die Frage, ob er nicht auch daran denke, wie so viele andere junge Leute das Land zu verlassen, hat Naji eine klare Antwort: “Wir sind die Christen des Ostens und leben seit mehr als 2.000 Jahren hier. Wir können uns nicht Leuten ergeben, die uns aus dem Land jagen wollen. Unser Land braucht uns, darum bleiben wir hier.” In der Zeitun Kirche, die zum Griechisch-Katholisch-Melkitischen Patriarchat von Antiochien und dem ganzen Osten gehört, ist kein Platz mehr zu finden. Bis auf wenige Kerzen ist die Kirche dunkel, langsam bewegt sich eine Prozession entlang der Gänge. Vorneweg tragen junge Männer rot leuchtende Lampen.

Dahinter folgt Patriarch Gregorius Laham III., der ein großes Kreuz geschultert hat. Schließlich wird das Kreuz vor dem Altar niedergelegt, der Patriarch verharrt im Gebet. Das Licht geht an und die Menschen werden einzeln zum Kreuz vorgelassen. Sie bekreuzigen sich, küssen das Kreuz und ziehen sich wieder in die Menge zurück. Nur wenige Tage zuvor hatte der Patriarch eine flammende Anklage gegen die Kräfte geführt, die den Krieg gegen die Gläubigen im Mittleren Osten anfeuerten.

Laham verurteilte die Anschläge auf Kopten in Ägypten, bei denen am Palmsonntag in Kairo und Alexandria mehr als 40 Menschen getötet worden waren. Der Terror in der Region richte sich gegen Christen und Muslime; er ziele “auf die Seele und die Würde der Menschlichkeit”. Der große Hof vor der Kirche füllt sich mit Menschen. Familien, Freunde stehen beisammen, Erinnerungsfotos werden gemacht. Durch das große Eisentor kommen untergehakt drei junge Frauen. Als am späten Nachmittag Mörsergranaten in der Altstadt eingeschlagen seien, hätten sie beschlossen, auf jeden Fall die sieben Kirchen zu besuchen. Mona (23), die aus Tartus stammt, sagt: “Wir können doch nicht einfach unser Leben einstellen.”

 

(KNA – rkolo-89-00059)