Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
am 16. Oktober 2007 haben 138 islamische Gelehrte aus aller Welt einen Brief an Papst Benedikt XVI. und die Oberhäupter von christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften geschrieben. Die zentrale Botschaft des offenen Briefes lautet: »Muslime und Christen gemeinsam stellen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Ohne Frieden zwischen diesen beiden religiösen Gemeinschaften kann es keinen wirklichen Frieden in der Welt geben … Die Basis für diesen Frieden … ist bereits gegeben. Sie ist Teil der Grundprinzipien beider Glaubensüberzeugungen: Liebe den einen Gott und liebe deinen Nächsten.« Am Ende heißt es: »Deshalb sollten unsere Differenzen nicht zu Hass und Streit zwischen uns führen … Lasst uns einander respektieren, lasst uns fair, gerecht und freundlich zueinander sein, lasst uns in einem echten Frieden, in Harmonie und in gegenseitigem Wohlwollen miteinander leben.«
Prof. Christian W. Troll SJ schreibt hierzu in »Die Zeit«: »In der vierzehnhundertjährigen Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen hat es eine solche Initiative noch nicht gegeben« und Prof. Adel Theodor Khoury meint: »Es ist wohltuend, eine solche Stimme, wie diesen offenen Brief so vieler muslimischer Gelehrter und Wissenschaftler zu hören. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch in die Tat umgesetzt wird. Es ist dafür nötig, auf islamischer Seite Organisationen und Institute zu finden bzw. solche zu bilden … Eine Intensivierung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen auf breiter Basis ist dringend notwendig.« Ich stimme dem vorbehaltlos zu: Die muslimische Initiative ist historisch einmalig und hört sich gut an. Wir bei CIBEDO begrüßen sie von ganzem Herzen. Die von Prof. Khoury geforderten Institutionen und Organisationen existieren zum Teil bereits, auf beiden Seiten. Gesprächskanäle und -foren sind zur Genüge vorhanden. Was ich mir wünsche, sind Taten, nicht nur Worte. Wie steht es um die Beziehungen der muslimischen Mehrheit zu den christlichen Minderheiten in den islamischen Ländern? Gilt die Gemeinsamkeit auch hier? In Saudi-Arabien? In der Türkei? Im Irak? Wenn die postulierten gemeinsamen Grundlagen von Christentum und Islam nicht einmal in den islamischen Ländern Grundlage eines respektierten Miteinanders sind, wie könnten sie im west-östlichen Verhältnis greifen? Und noch ein weiterer Gedanke: Ich würde mich sehr freuen, wenn die 138 Gelehrten diese Botschaft auch deutlich vor der eigenen muslimischen Gemeinde artikulieren würden. Hier dominieren noch immer häufig kulturkämpferische Begriffe wie Kreuzzügler, etc. Und auch wir Christen müssen uns vor dem Aufruf der 138 islamischen Gelehrten sorgfältig fragen, ob wir unsere muslimischen Mitbürger hier in Deutschland immer im Lichte des »Gemeinsamen Wortes« wahrnehmen.
Ihr Peter Hünseler
Inhaltsverzeichnis
Editorial 2
Studien
Die Notwendigkeit des interreligiösen Gesprächs und das Verhältnis von Kirche und Islam
von Karl Kardinal Lehmann 4
Der historische Status des Koran: Moderne Diskussionen unter türkischen Wissenschaftlern
von Ismail Albayrak 12
Gemeinsam vor Gott? Christliche Positionen zum gemeinsamen Beten von Juden, Christen und Muslimen
Von Martin Bauschke 21
Dokumentation
Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen
Presseerklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann 27
Berichte
Konferenzbericht: Women in Islam – Between Oppression and (Self-)Empowerment,
Friedrich-Ebert-Stiftung, 7. bis 9. März 2007
von Hildegard Becker 30
Buchbesprechungen
Emmanouela Grypeou, Mark Swanson und David Thomas (Hrsg.): The Encounter of Eastern Christianity with Early Islam
von Christian W. Troll 34
Rita Breuer: Zwischen Ramadan und Reeperbahn. Die schwierige Gratwanderung der muslimischen Minderheit
von Peter Hünseler 35
Anne Duncker: Menschenrechte im Islam.Eine Analyse islamischer Erklärungen über die Menschenrechte
von Peter Hünseler 35
Claus Leggewie, Angela Joost und Stefan Rech: Der Weg zur Moschee. Eine Handreichung für die Praxis
von Peter Hünseler 36
Neuanschaffungen der Bibliothek 37
Zeitschriftenschau 38