Liebe Leserinnen und Leser,
es ist nicht zu leugnen: In den christlich-islamischen Dialog ist in den letzten beiden Jahren Bewegung gekommen. Nach Jahrzehnten der Sprachlosigkeit und fehlender Kommunikation können wir nun ermutigende Gesten auf beiden Seiten feststellen, das interreligiöse Gespräch zu suchen und zu beleben.Rekapitulieren wir kurz die Entwicklungen: Im Zweiten Vatikanischen Konzil stellte die Katholische Kirche ihre Beziehungen zu den nicht-christlichen Religionen auf eine neue Grundlage. Von nun an führte die Kirche den Dialog mit dem Islam auf Augenhöhe. In vielen Ländern der Welt entstand ein christlich-islamischer Dialog auf der Ebene von Bistümern und Gemeinden, in Europa, in Afrika und Asien. Die Dialogbemühungen führten vielfach zu einer Entschärfung von sozialen Konflikten und zu einer Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses. Auf der obersten Ebene allerdings kam der Dialog nicht so sehr voran.
Dann kam der 11. September 2001 und der sich anschließende »Kampf gegen den Terror«. Die Beziehungen zwischen der islamischen und »christlichen«Welt näherten sich dem Gefrierpunkt. Ja, sie drohten den Weltfrieden zu gefährden. Die Vorlesung Papst Benedikts XVI. in Regensburg schien so recht dieser aufgeheizten Atmosphäre zu entsprechen. Historiker werden dereinst über die geschichtliche Bedeutung dieser Rede befinden. Aber bereits heute lässt sich feststellen, dass der Papst einen Stein ins Rollen gebracht hat, der den Dialog auf der Ebene der Religionsführer in Gang brachte.
Es folgte der Brief der 38 islamischen Gelehrten, die Antwort des Vatikan, der Brief der 138 islamischen Würdenträger, der Besuch des saudischen Königs Abdullah bei Papst Benedikt, das gemeinsame Kommunique des Vatikan mit iranischen Gelehrten und zuletzt die Konferenz von Religionsführern aus der gesamten islamischen Welt vom 4. bis 6. Juni in Mekka, auf der die Beziehungen zu den christlichen Kirchen offen diskutiert wurden. Diese Entwicklungen sind sehr zu begrüßen und trotz vieler Vorbehalte, die sicher ihre begründete theologische Relevanz haben, kann die Bedeutung gar nicht hoch genug bewertet werden, die sie für das Verhältnis der Religionen zueinander und für den Weltfrieden haben.
Der Friede in der Welt wird gegenwärtig vor allem von den Entwicklungen um die iranische Nuklearbewaffnung und ihre Verhinderung bedroht. Es steht zu befürchten, dass die verbleibende Zeit der Bush-Administration im Amt, also die Zeit bis Januar 2009, genutzt werden soll, um das Problem militärisch zu lösen. Die Führer der islamischen Welt, vor allem das saudische Königshaus, fürchten die kommende Konfrontation.
Die islamischeWelt hat die friedensbewahrende Rolle Papst Johannes Pauls II. vor Ausbruch des Irak-Krieges noch in guter Erinnerung. Ich verstehe das Bemühen der islamischen Führungspersönlichkeiten um eine Belebung des christlich-islamischen Dialogs vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen. Der Dialog von Christen und Muslimen hat vor allem ein Ziel: Den Erhalt des Friedens in der Welt. Lassen Sie uns dafür gemeinsam arbeiten.
Inhaltsverzeichnis
Editorial 2
Studie und Dokumentation
Die italienische »Werte-Charta für Staatsbürgerschaft und Integration«: Ein Weg für den interreligiösen und interkulturellen Dialog
von Francesco Zannini 4
Werte-Charta für Staatsbürgerschaft und Integration 11
Studie
Wie muslimisch ist die Türkei?
von Timo Güzelmansur 14
Essays
Modelle für den Dialog zwischen Christen und Muslimen: Preisverleihung der Georges-Anawati-Stiftung 19
»Von Schweinefleisch wird mir immer schlecht«: Jung – Bayerisch – Muslim
von Amin Rochdi 20
Nicht Herr im eigenen Haus? Christliche Selbstbesinnung als Beitrag zum interreligiösen Dialog
von Sandra Lenke 23
Dokumentation
Antwort des Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche auf den offenen Brief der 138 muslimischen Gelehrten 27
Antwort der World Evangelical Alliance (WEA) auf Ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch 30
Bericht
Verantwortung für das Leben. Ethik in Christentum und Islam: Tagungsbericht Theologisches Forum Christentum-Islam Stuttgart-Hohenheim 29. Februar bis 2. März 2008
von Sandra Lenke 33
Buchbesprechungen
Philip Jenkins: Gottes Kontinent? Über die religiöse Krise Europas und die Zukunft von Islam und Christentum
von Christian W. Troll SJ 37
Christian W. Troll: Unterscheiden um zu klären. Orientierung im christlich-islamischen Dialog von
Andreas Renz 38
Literaturhinweise 40
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 41