Liebe Leserinnen und Leser,
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zur 4. Sitzung der Deutschen Islam Konferenz im Juni 2009 eine umfassende Studie mit dem Titel „Muslimisches Leben in Deutschland“ herausgegeben. Damit liegt zum ersten Mal eine bundesweit repräsentative Datenbasis vor, die mit ca. 6.000 befragten Personen aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern einen umfassenden Überblick über muslimisches Leben in Deutschland gibt. Ich persönlich habe den Eindruck, dass die sozialwissenschaftlichen Erhebungsmethoden seriös angewendet wurden, und die Ergebnisse auf einer soliden wissenschaftlichen Basis stehen. Die Studie zielte auf Fragestellungen der staatlichen und gesellschaftlichen Integration von Muslimen. Fragen des interreligiösen Dialogs standen nicht im Vordergrund. Dennoch liefert die Studie auch für den christlich-islamischen Dialog eine Reihe von wichtigen Ergebnissen, mit denen wir uns in Zukunft ernsthaft befassen müssen.
Eines dieser zentralen Ergebnisse der Studie betrifft die Anzahl der Muslime in Deutschland. Während wir bislang von einer Gesamtzahl von ca. 3,2 – 3,5 Millionen Muslime ausgingen, benennt die Studie die Zahl von 3,8 – 4,3 Millionen. Damit beläuft sich der Anteil der Muslime an der deutschen Bevölkerung auf ca. 5 Prozent. Es leben somit weit mehr Muslime in unserer Gesellschaft als wir bislang angenommen hatten. Diese Erkenntnis hat weit reichende Auswirkungen etwa auf die Frage islamischen Religionsunterrichts oder Fragen des Moscheebaus.
Eine weitere zentrale Erkenntnis der Studie betrifft die organisatorische Vertretung der Muslime durch die großen muslimischen Verbände. Hierzu heißt es in der Studie: „.Tabelle 24 macht deutlich, dass nur eine Minderheit der insge-samt befragten Muslime sich durch islamische Organisationen vertreten fühlt. Die größte Bekanntheit und Vertretungsleistung nimmt mit 16 Prozent die DİTİB ein. Der VIKZ kann immerhin noch für sich beanspruchen, 7 Prozent der befragten Muslime zu vertreten. Alle anderen Organisationen fallen dagegen stark ab und vertreten nicht mehr als 4 Prozent der insgesamt befragten Muslime.“ (S. 179). Weiter heißt es: „Weniger als ein Viertel der Muslime fühlen sich von einem der Verbände in der Deutschen Islam Konferenz vertreten.“ Und: Den Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM) kennen nur etwa 10 Prozent der Muslime.
Diese Ergebnisse werfen eine Reihe von Fragen auf bezüglich der Repräsentativität des KRM und der muslimischen Verbände. Ihr Anspruch auf die alleinige Vertretung der Muslime in Deutschland, sowohl innerhalb der Deutschen Islam Konferenz als auch im Dialog mit den christlichen Kirchen, ist mit dieser Studie nachdrücklich geschwächt worden.
Die christlichen Kirchen in Deutschland werden trotzdem den Dialog mit den muslimischen Verbänden fortsetzen. Hierzu gibt es keine Alternative. Aber dennoch müssen sie sich der Frage stellen, wie sie die 75 – 80 Prozent der Muslime in den Dialog einbeziehen können, die sich von den Islam-Verbänden nicht vertreten fühlen. Diese Frage stellt nun die wichtigste Herausforderung im christlich-islamischen Dialog nach dem Erscheinen der Studie dar.
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Studien
Dialog unmöglich? Leitlinien für ein Glaubensgespräch mit Muslimen von Felix Körner SJ 47
Eine neue Koranexegese Der bekannte türkische Koranexeget Süleyman Ateş und sein zeitgenössischer Korankommentar von Abdullah Takım 51
Der Konflikt um das Kloster Mor Gabriel im Südosten der Türkei von Helmut Wiesmann 61
Dokumentation
Ansprache von Mustafa Ceric beim Katholisch-Muslimischen Forum 66
Ansprache von Seyyed Hossein Nasr beim Katholisch-Muslimischen Forum 68
Ansprache des Papstes Benedikt XVI. an die muslimische Gemeinde in Kamerun 70
Ansprache des Papstes Benedikt XVI. in der Moschee „Al-Hussein Bin-Talal“ – Amman 72
Ansprache des Papstes Benedikt XVI. vor dem Auditorium des „Notre Dame of Jerusalem Center“ 75
Ansprache des Papstes Benedikt XVI. auf dem Moscheeplatz in Jerusalem 77
Berichte
Tagungsbericht 30 Jahre CIBEDO
Tobias Specker SJ 79
Tagungsbericht Theologisches Forum Christentum-Islam
Mohammad Gharaibeh 83
Buchbesprechungen
NAGEL, Tilman: Mohammed. Leben und Legende
Asye Basol-Gürdal 86
KÖRNER, Felix (Hrsg.): Alter Text – neuer Kontext. Koranhermeneutik in der Türkei heute
Serdar Günes 87
ABU ZAID, Nasr Hamid: Gottes Menschenwort. Für ein humanistisches Verständnis des Koran von
Hakan Turan 88
Literaturhinweise 90
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 91
Zeitschriftenschau 94
