Liebe Leserinnen und Leser,
Mitte März machte eine Meldung über eine Fatwa aus Saudi-Arabien die Runde. Darin erklärte der Großmufti Abd al-Aziz Ibn Abdallah Al asch-Schaich, dass der Bau von neuen Kirchen nicht zulässig sei und dass alle bereits vorhandenen Kirchen auch zerstört werden sollten.Diese unerträgliche Äußerung weicht zwar von der gängigen Praxis der einzelnen Herrscherhäuser auf der Arabischen Halbinsel ab, dennoch stärkt sie jene, die das Existenzrecht der Christen in diesen Ländern in Frage stellen. Es ist merkwürdig, dass weder der König von Saudi-Arabien noch andere Muslime, die sich für den Dialog der Kulturen und Religionen engagieren reagierten. Mag sein, dass Manche der Meinung seien, in Saudi-Arabien gebe es keine Christen. Dem sei die Lektüre von Bischof Paul Hinder, dem Apostolischen Vikar von Südarabien in dieser Ausgabe empfohlen. Darin schildert er die teilweise desaströse Situation von Christen, die ohne jegliches Recht auf Religionsfreiheit in diesen Ländern leben.
Beinahe zeitgleich mit der Fatwa aus Saudi-Arabien erlebten wir eine konzentrierte Aktion der Salafisten in den deutschen Fußgängerzonen. Diese Gruppe – mit ca. 4000 Anhängern und Sympathisanten in Deutschland – propagiert eine strenge, buchstabengetreue Auslegung des Koran. Nicht die Verteilung des Buches war das Problematische an dieser Aktion, sondern die Verteiler. Die Gewaltausbrüche gegenüber den Sicherheitskräften und Mordaufrufe gegen Kritiker zeigen wie gefährlich diese Gruppe sein kann. Die Salafisten missbrauchen die freiheitlich demokratische Ordnung in Deutschland, um ihre Ideologie zu verbreiten. Wo Freiheiten Anderer beschnitten werden und Gewalt ins Spiel kommt findet auch die Religionsfreiheit ihre Grenze. Der Rechtsstaat muss sich und seine Bürger mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, beschützen.
Die Debatte um die Verteilung von Koranexemplaren hat auch gezeigt wie fragil unsere Dialogsituation sein kann. Menschen verfallen sehr schnell alten Vorurteilen. Das dürfen wir nicht zu lassen. Wir können nicht zuschauen, wie eine verhältnismäßig kleine Gruppe für sich die Deutungshoheit über Religion und Dialog reklamiert. Wir können nicht zuschauen, wenn das Dialogklima in Deutschland vergiftet wird. Wir müssen gegenüber Christen und Muslimen unseren Zuspruch für den Dialog und gegen extremistische Meinungen deutlich kundtun.
In diesem Zusammenhang ist es für CIBEDO eine außerordentliche Freude, dass Dirk Ansorge, der neue Professor für Dogmatik an der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen, in Zukunft Mitglied des Redaktionsbeirats von CIBEDO-Beiträge wird. Prof. Ansorge wird durch sein Fachwissen und langjährige Dialogerfahrung die Redaktion bereichern. An dieser Stelle danken wir für seine ehrenamtliche Bereitschaft und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit!
Ihr
Timo Güzelmansur
Editorial
Studien
Zur Situation der Christen auf der Arabischen Halbinsel
von Bischof Paul Hinder OFMCap, Abu Dhabi 44
Die Türkisch-Islamische union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB)
Ihre Begründung und ihre Beziehung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet
von Aysun Yasar, Frankfurt/M 50
Gott und Befreiung
Eine Theologie der Barmherzigkeit und eine Theologie der Befreiung im muslimisch-christlichen Gespräch
von Klaus von Stosch, Padrborn 58
Dokumentation
“Die Religionsfreiheit wahren”
Erzbischof Zollitsch zur Fatwa gegen den Neubau von Kirchen auf der Arabischen Halbinsel 66
Fatwa zur Zerstörung von Kirchen
Presseerklärung bei der Frühjahrsversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz 67
Die Fatwa vom saudischen Großmufti ist “unglücklich” 68
Statement anlässlich des Jubiläums
100 Jahre Islamgesetz in Österreich 69
Berichte
Was heißt eigentlich Seelsorge auf Türkisch?
Das Projekt “MUSE – Muslimische Seelsorge in Wiesbaden” 71
Ausbildungskurs zur Muslimischen Krankenhausseelsorge
Wegbegleitung für muslimische Gläubige im Krankenhaus
Das Frankfurter Projekt 2011 aus katholischer Sicht 74
Zusammenarbeit zwischen Religionsgemeinschaften für eine Gesellschaft des “Zusammenlebens”
Abkommen zwischen der Gemeinschaft Sant’ Egidio und der islamischen Organisation Muhammaddiyah 77
“Aufklärung im islamischen Denken: ihr notwendiger Anspruch und die Dimension ihrer Bedeutung”
Tagung an der Fakultät DAr al pUIUm. Fachbereich Islamische Philosophie 79
Buchbesprechungen
TImo Güzelmansur (Hrsg.), hat Jesus Muhammad angekündigt?
Der Paraklet des Johannesevangeliums und seine koranische Deutung
von Daniel Birnstiel 81
Susanne Heine / Rüdiger Lohlker / Richard Potz, Muslime in Österreich. Geschichte – Lebenswelt – Religion. Grundlagen für den Dialog
von Elisabeth Dörler 82
Karl-Friedrich Pohlmann, Die Entstehung des Korans. Neue Erkenntnisse aus Sicht der historisch-kritischen Bibelwissenschaft
von Christian W. Troll SJ 83
Martin Rötting, Religion in Bewegung. Dialog-Typen und Prozess im interreligiösen Lernen
von Martin Rupprecht 84
Literaturhinweise 85
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 88
Zeitschriftenschau 90