Liebe Leserinnen und Leser,
am Ende des Jahres verdienen folgende Themen im Zusammenleben der verschiedenen Religionen besondere Aufmerksamkeit.
So hat die Bundesregierung nach langen Debatten mit einem neuen Gesetz die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen wieder zugelassen und dadurch das Bestimmungsrecht der Eltern bekräftigt – die anfänglich entstandene Unsicherheit unter jüdischen und muslimischen Mitbürgern wurde damit aufgehoben.
Am 13. Oktober wurde in Wien ein nach dem saudischen König benanntes König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog eröffnet.Das Zentrum, das den Status einer internationalen Organisation besitzt und allen UN-Mitgliedern offensteht, wird von Saudi-Arabien mit einem zweistelligen Millionenbetrag finanziert. Als Gründungsstaaten fungieren Österreich, Spanien und Saudi-Arabien. Die Initiative des Königs ist aus verschiedenen Gründen überraschend: Saudi-Arabien ist die Keimzelle des intoleranten Wahhabismus und des Salafismus und erlaubt außer der sunnitisch-wahhabitischen Prägung keine religiösen Praktiken im öffentlichen und privaten Raum. Dort leben und arbeiten beispielsweise ca. eine Million Christen, die in ihren fundamentalen religiösen Rechten beschnitten werden. Sie dürfen weder Kirchen noch Gebetsräume besitzen und können nur unter strikter Geheimhaltung Gottesdienste feiern. Dass hier eine Diskrepanz im Handeln des Königshauses vorliegt, kann keinem kritischen Beobachter entgehen. Denn welches Verhältnis zwischen Religion und Staat wird hier zugrunde gelegt? Warum werden auch europäische Staaten durch dieses Zentrum Akteure im „interreligiösen“ Dialog?
Auch ist das Blutvergießen in Syrien noch nicht beendet und täglich erreichen uns schreckliche Nachrichten von einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg. Wie befürchtet, zeichnet es sich ab, dass die Gewalt zwischen den verschiedenen Parteien entlang der Konfessions- und Religionsgrenzen verläuft. Wir Christen fürchten, dass unsere Glaubensgeschwister ein ähnliches Schicksal wie im Irak oder in Ägypten erleiden könnten. Die ägyptischen Christen scheinen nach jetzigem Stand zu den Verlierern der „arabischen Revolution“ zu zählen, denn der neue Präsident möchte zunächst die Machtstellung der Muslimbrüder und des Islams in der Verfassung festigen, was wahrscheinlich das Leben der Christen im Vergleich zur Regierung unter Mubarak erschweren wird.
Was als hoffnungsvolle Bewegung begonnen hat, droht für Christen imNahen und Mittleren Osten zu einem Problem zu werden. Schon jetzt habenviele davon ihre Heimat für immer verlassen, weil ihnen die Existenzgrundlagengenommen wurden. Die Deutsche Bischofskonferenz hat den 26. Dezember demGedenken an die verfolgten Christen gewidmet. Es soll in Erinnerung gerufenwerden, dass nicht in jedem Land der Welt so viele Freiheiten gewährt undgarantiert werden wie in Deutschland. Der Gedenktag des Heiligen Stephanuskann der Anlass sein, uns besonders für Religionsfreiheit, die allen Gläubigenunabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit zusteht, einzusetzen.
Inmitten dieser düsteren Szenarien erreicht uns die Botschaft von Weihnachtenwie ein Rettungsanker. Und so aussichtslos die Lage erscheinen mag:Gott ist Mensch geworden, um uns in unserer Perspektivlosigkeit Halt und eineneue Richtung zu geben. Er ist der „Immanuel“ – der „Gott mit uns“! Gesegnete Weihnachten und ein gutes neues Jahr 2013!
Ihr
Timo Güzelmansur
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Studien
Christen, Muslime … Welche Freiheit?
von Jean-Marie Gaudeul, Paris 132
Der ‚Märtyrer auf dem Schlachtfeld‘
von Silvia Horsch, Osnabrück 145
Islamkonforme Finanzgeschäfte als Option für die Armen?!
von Matthias Böhm, Mainz 155
Dokumentation
Auszüge aus den Ansprachen Papst Benedikts XVI. auf seiner Reise in den Libanon (14.–16.9.2012) 161
„Gemeinsam für Recht und Gerechtigkeit“Grußbotschaft des Vorsitzenden der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den Interreligiösen Dialog zum Aschura-Fest 2012 163
Ansprache von S. E. Kardinal Jean-Louis Tauranbei der Eröffnung des King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligiousand Intercultural Dialogue (KAICIID) 164
Zum Tod von Kenneth Cragg 165
von Andreas Renz
Berichte
Tagungsbericht: „Islamische Studien im Kontext“
von Tobias Specker SJ 167
Bericht zur ersten CIBEDO-Werkstatt – Theologie im Angesicht des Islam
von Matthias Böhm und Verena Voigt 169
Durch das Wort verbunden – Bericht zur vierteiligen Dialogreihe „A Common Word between Us and You“
von Valentin Feneberg 171
Arabischer Frühling – christlicher Herbst?
von Dirk Ansorge 174
Buchbesprechungen
GHADBAN, Ralph: Islam und Islamkritik. Vorträge zur Integrationsfrage
von Matthias Böhm 177
KADDOR, Lamya/MÜLLER, Rabeya: Der Islam. Für Kinder und Erwachsene
von Verena Voigt 177
KHAN, Abdul Ghaffar: Mein Leben.
Wie ein Weggefährte von Gandhi die Gewaltfreiheit im Islam begründet
von Klaus Beurle 178
Literaturhinweise 180
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 181
Zeitschriftenschau 182