Liebe Leserinnen und Leser,
in einem Beitrag mit dem Titel „Kirchenleerstand – Auf dem Weg zur Jesus-Moschee“ vom 15. Februar 2014 befasst sich das Deutschlandradio Kultur mit dem Thema des Ende 2012 erfolgten Verkaufs einer seit vielen Jahren nicht mehr genutzten evangelischen Kirche in Hamburg- Horn an das Islamische Zentrum Al-Nour und deren Umwandlung in eine Moschee. Die Kapernaumkirche soll eventuell neu benannt werden und „Jesus-Moschee“ heißen, so war in dem Bericht zu lesen. Es geht hier nicht darum, diesen Fall in Hamburg in der einen oder anderen Richtung zu bewerten, vielmehr bietet sich die Gelegenheit, die Positionen der Kirchen zu diesem Thema in Erinnerung zu rufen und darüber nachzudenken.
Es ist für eine Gemeinde in der Tat eine sehr schmerzhafte Erfahrung, wenn eine Kirche aufgrund von sinkenden Mitgliederzahlen oder neuen pastoralen Konzepten nicht mehr gehalten werden kann und aufgegeben werden muss. Sicherlich ist die Umwandlung eines Kirchengebäudes in eine Moschee ein sehr spezieller Fall. Man kann schon einige Stimmen sagen hören: „Seht her, die Muslime erobern unsere Heimat!“ Andere würden sagen: „Es ist gut, wenn ein Gebäude seinem ursprünglichen Zweck weiterhin dient und auch zukünftig für gottesdienstliche Handlungen verwendet wird.“
Meines Erachtens haben beide Stimmen ihre Berechtigung. Es gibt aber einen weiteren Aspekt, den man beachten sollte. Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Ländern mit mehrheitlich christlicher und Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung war es ein nicht nur politischer Triumph, wenn die Eroberer die Kultstätten der anderen in Kirchen bzw. Moscheen umwandelten, sondern in gewisser Weise auch ein theologischer Sieg: Das Christentum versteht sich als die unüberbietbare Offenbarung Gottes im Menschen Jesus von Nazareth; der Islam hingegen sieht sich als eine Religion, die die Botschaft Gottes wiederherstellen möchte und zielt damit letztlich auf eine Ersetzung der beiden Religionen Judentum und Christentum. Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, meinte zum Verkauf der Hamburger Kirche an eine muslimische Gemeinde: „Es ist eine geistliche Zumutung für die Menschen, die dort leben und sich mit der Kirche identifiziert haben“. Seine Begründung für diese Haltung lautet, dass der Islam Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, und das Kreuz Christi ablehne. Daher sei es nicht zu empfehlen, Kirchen in Moscheen umzuwandeln.
Sowohl die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) als auch die Deutsche Bischofskonferenz empfehlen unabhängig voneinander, vom Verkauf von Kirchen an nichtchristliche Religionsgemeinschaften abzusehen, da dies eine hohe Symbolwirkung habe. Sie geben zu bedenken, dass in der christlich-islamischen Geschichte eine Umwandlung religiöser Kultstätten immer auch den Aspekt der Vorherrschaft der einen über die andere Religion beinhaltete. Beide plädieren dafür, die religiösen Gefühle der Christen zu berücksichtigen und zu respektieren. Es ist in der Tat fraglich, ob eine solche Umwandlung von Kirchen in Moscheen oder umgekehrt dem Zusammenleben von Christen und Muslimen dienlich ist.
Timo Güzelmansur
Inhaltsverzeichnis
Studien
Offen in Wahrheit und Liebe – Evangelii Gaudium und der katholisch-muslimische Dialog
von Felix Körner SJ, Rom 4
Malaysia im Spannungsfeld von Religion, Politik und Ethnizität
von Christoph Marcinkowski, Aachen 14
Zur (Un-)Möglichkeit „islamischer Seelsorge“ im deutschen Justizvollzug
von Sarah J. Jahn, Bochum 20
Dokumentation
Respektvolles Zusammenleben der Verschiedenheiten.
Auszug aus der Ansprache von Papst Franziskus an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog 26
Die Beziehungen mit den anderen Religionen im Pontifikat von Papst Franziskus.
Interview mit Jean-Louis Kardinal Tauran, Präsident des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog 28
Berichte
Christlich-islamische Beziehungen im europäischen Kontext.
Bericht zur Studienwoche an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
von Sabah Ersindigil und Raphael Zikesch 31
Bosnisch, türkisch, deutsch oder … Wege zu einem europäischen Islam?
Bericht zur Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
von Verena Voigt 33
Christen und Muslime im Gespräch.
Bericht zur Vorstellung des „Lexikon des Dialogs“
von Sebastian Prinz 36
Islam in Deutschland – Herausforderungen zur Etablierung einer islamischen Theologie.
Bericht über die Konferenz zur „Woche der islamischen Einheit“
von Hans-Gerd Schwandt und Richard Nennstiel OP 38
Buchbesprechungen
Heinzmann, Richard (Hrsg.): Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam
Selçuk, Mualla/Heinzmann, Richard u. a. (Hrsg.): Ïslamiyet-Hïristiyanlïk Kavramlarï Sözlüýü
von Timo Güzelmansur 40
Gellner, Christoph/Langenhorst, Georg: Blickwinkel öffnen. Interreligiöses Lernen mit literarischen Texten
von Tobias Specker SJ 42
Wenz, Georg/Kamran, Talat (Hrsg.): Seelsorge und Islam in Deutschland. Herausforderungen, Entwicklungen und Chancen
von Brigitta Sassin 44
Literaturhinweise 46
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 48
Zeitschriftenschau 50