Regensburg (KNA) Am 12. September 2006 hielt Papst Benedikt XVI. eine Ansprache in der Regensburger Universität. Es war die einzige große Rede während seines fünftägigen Besuchs in der bayerischen Heimat. Wenige Tage später kam es zu Unruhen in der muslimischen Welt. Auslöser war das umstrittene Zitat eines mittelalterlichen Kaisers über den Islam. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Schlüsselpassagen der Ansprache in der Version, wie sie der damalige Papst später vom Vatikan verbreiten ließ.
Der Originaltitel lautet: “Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen.” Der Einlei-tungssatz: “Es ist für mich ein bewegender Augenblick, noch einmal in der Universität zu sein und noch einmal eine Vorlesung halten zu dürfen.”
In der Heranführung an das umstrittene Zitat erläutert der Papst den Kontext, einen Dialog zwischen dem gelehrten byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos mit einem gebildeten Perser über Chris-tentum und Islam, geführt wohl 1391 in Ankara. Es gebe eine Passage in diesem Dialog, die ihn im Zusammenhang des Themas Glaube und Vernunft fasziniere, so Benedikt XVI. Diese solle ihm als Ausgangspunkt für seine Überlegungen dienen.
Der Kaiser komme in der siebten Gesprächsrunde auf den Djihad, den heiligen Krieg, zu sprechen und wende sich, so der Papst in seiner Rede, “in erstaunlich schroffer, für uns unannehmbar schrof-fer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt über-haupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: ‘Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.'”
Nach diesem Zitat referiert Benedikt, wie der Kaiser, “nachdem er so zugeschlagen hat”, darlegt, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig sei. Nämlich weil Gott “kein Gefallen am Blut” habe und “nicht vernunftgemäß zu handeln” dem “Wesen Gottes zuwider” sei. Wer “eine vernünftige Seele überzeugen” und zum Glauben führen wolle, “braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung”, gibt Benedikt den Kaiser wieder.
In einer nachträglich eingefügten Fußnote (Nummer 3) schreibt der Papst: “Dieses Zitat ist in der muslimischen Welt leider als Ausdruck meiner eigenen Position aufgefasst worden und hat so be-greiflicherweise Empörung hervorgerufen. Ich hoffe, dass der Leser meines Textes sofort erkennen kann, daß dieser Satz nicht meine eigene Haltung dem Koran gegenüber ausdrückt, dem gegenüber ich die Ehrfurcht empfinde, die dem heiligen Buch einer großen Religion gebührt.”
Benedikt führt im Folgenden aus, wie die Synthese zwischen biblischem Glauben und hellenistischer Philosophie nicht nur das christliche Gottesbild entscheidend geprägt habe, sondern auch “die Grundlage dessen, was man mit Recht Europa nennen kann”. Sodann beschreibt der Papst “drei Enthellenisierungswellen”, die das Christentum durchlaufen habe, zunächst im Zusammenhang mit der Reformation, dann mit der liberalen Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts und heute ange-sichts der Herausforderungen durch die Vielheit der Kulturen.
Kritisch setzt sich Benedikt mit dem modernen, empirisch geprägten Wissenschaftsverständnis aus-einander, das die Gottesfrage schon aus methodischen Gründen als un- oder vorwissenschaftlich ausschließt. Dies hält der Papst für eine “Verkürzung des Radius von Wissenschaft und Vernunft”. Wenn “die eigentlich menschlichen Fragen” ins Subjektive verlegt würden, drohe Gefahr. Ethos und Religion verlören ihre gemeinschaftsbildende Kraft und verfielen der Beliebigkeit.
Abschließend plädiert der Papst für eine “Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs”. Vernunft und Glaube müssten auf Neue zueinander finden. “Eine Vernunft, die dem Göttlichen ge-genüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.”
(KNA – qkskn-89-00025)