Gastbeitrag von Herrn Güzelmansur in der Münchner Kirchenzeitung vom 14. August 2016:
Nicht erst seit den jüngsten Anschlägen ist es notwendig, sich zu fragen, wie es eigentlich um das Zusammenleben von Christen und Muslimen hier in Deutschland steht: Leben wir miteinander oder existieren wir bloß nebeneinander, ohne uns für den „Anderen“ zu interessieren? Ich habe den Eindruck, dass an Orten, an denen Christen und Muslime den Mut haben, aufeinander zuzugehen und Gemeinden miteinander kooperieren, ein Stück Zusammenleben gelingt. Schließlich haben wir alle eine gemeinsame, nicht von der Hand zu weisende Verantwortung für diese Gesellschaft und die kommenden Generationen. Deutschland ist ein sehr offenes Land, in dem viele Eingewanderte leben.
Als Problem haben sich jedoch diejenigen Jugendlichen erwiesen, die sich von der Mehrheitsgesellschaft zurückgewiesen und nicht akzeptiert fühlen. Sie sind besonders anfällig für extremistische Bewegungen – das gilt übrigens nicht nur für den Islamismus, sondern auch für den Rechtsextremismus. Damit Jugendliche nicht abdriften, sind meiner Meinung nach mehr Anstrengungen von allen Glaubensgemeinschaften gefordert.
Auch wenn der sunnitische Islam bekanntlich kein „Papstamt“ kennt, gibt es auch dort Führungs- und Autoritätspersönlichkeiten, die richtungsweisend für ihre Gemeinden sind. Die Moscheegemeinden und die Dachverbände der Moscheen spielen eine enorm wichtige Rolle, damit ein authentisches muslimisches Leben gelebt und praktiziert werden kann. Es ist nötig, sich nun in den Verbänden und in der akademischen islamischen Theologie mit den theologischen Grundlagen der „Islamisten“ auseinanderzusetzen, damit ein tragfähiges Konzept erarbeitet werden kann, in dem verbindlich festgehalten wird, weshalb die Lesart der Extremisten nicht der eigenen entspricht. „Unterscheiden um zu klären“ lautet ein Buchtitel des Jesuiten und großen Islamkenners Christian Troll. Würden muslimische Vertreter ausarbeiten, in welcher Hinsicht sich ihre Auslegung der als problematisch empfundenen Koranstellen sowie der religiösen Tradition und Praxis von der der Extremisten unterscheidet, könnte eine gewisse Klarheit entstehen.
Die nach jeder schrecklichen terroristischen Tat mit islamistischem Hintergrund erfolgten, beinahe inflationären Beteuerungen, wonach „das mit dem Islam nichts zu tun hat“, könnten besser eingeordnet werden, wenn die Grenzen klarer markiert wären.
Eine Stellungnahme der Vertreter/Innen der Standorte für Islamisch-Theologische Studien in Deutschland aus dem Jahre 2014 weist in die richtige Richtung: „Deutungen des Islam, die ihn zu einer archaischen Ideologie des Hasses und der Gewalt pervertieren“, werden abgelehnt, stattdessen setzt man sich für „Humanität, Gewaltfreiheit, Wertschätzung der Pluralität und Respekt für Menschen ungeachtet ihrer Zugehörigkeiten“ ein. Dabei soll nicht außer Acht gelassen werden, dass die Mehrheit der hier lebenden Muslime nicht für die Taten von Extremisten haftbar gemacht werden darf.
„Wenn es ein Wort gibt, das wir bis zur Erschöpfung wiederholen müssen“, schärft uns Papst Franziskus besonders in dieser Zeit ein, „dann lautet es Dialog“. Das hat heute für Christen und Muslime eine enorme Aktualität!
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