„Wenn Ihr uns wirklich helfen wollt, dann beendet endlich diesen Krieg und lasst uns Christen weiter in unserer Heimat Syrien leben.“ Mit deutlichen Worten hat der griechisch-katholische melkitische Erzbischof von Aleppo, Jean-Clement Jeanbart, die westliche Syrien-Politik kritisiert. Die Menschen in Syrien, vor allem auch in Aleppo, würden seit fünf Jahren unvorstellbar leiden, so Jeanbart gegenüber Kathpress.
Die Menschen in der heftig umkämpften nordsyrischen Metropole lebten Tag und Nacht in Angst. Bomben und Granaten könnten jederzeit einschlagen und Tod und Verderben bringen. Die aus der ganzen Welt nach Syrien geströmten Terroristen würden überall, wo sie können, Terror verbreiten, so der Bischof: „Sie haben schon so viele Unschuldige getötet, Männer, Frauen und Kinder.“ Die Christen fürchteten sich vor der Zukunft. Dass ihre Kinder unter der Herrschaft eines fundamentalistischen islamistischen Systems leben müssten, sei eine Horrorvorstellung für die Menschen.
In Aleppo lebten einst 3,5 Millionen Menschen. Jetzt sind es laut Erzbischof Jeanbart noch 1,5 Millionen. Von den 160.000 Christen sind nur mehr 60.000 in der Stadt. Die Stadt ist geteilt in einen westlichen Teil, der von der Regierung und ihren Verbündeten gehalten wird, und den östlichen Teil, in dem die „Rebellen“ ihre Stellungen halten. Christliches Leben gibt es nur mehr im Westteil. „Europa spricht so oft von Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenrechten, sogar den Tieren wird Würde gegeben. Geben Sie uns auch Würde und respektieren Sie uns! Tun Sie etwas für uns! Wir werden zerstört, wir wollen aber da bleiben, wo wir sind.“
Clinton stünde für „Politik der Zerstörung Syriens”
Jeanbart erläuterte ebenfalls, weshalb die Menschen im Nahen Osten den künftigen Präsidenten Donald Trump weit positiver sehen würden als viele im Westen: „Das Positive an Trump: Wir wissen noch nicht, was er zu tun gedenkt. Da gibt es wenigstens eine Chance, dass es eine bessere Entwicklung gibt. Bei Frau Clinton war es immer klar, dass sie weiter gemacht hätte, Syrien zu zerstören. Aber es stimmt, wir wissen noch nicht, was jetzt passieren wird.“
Im Syrien-Krieg könne es keine militärische Lösung geben, zeigte sich Jeanbart einmal mehr überzeugt. Die Konfliktparteien müssen zurück an den Verhandlungstisch und Kompromisse eingehen. Freilich räumte der Bischof ein, dass es mit den fundamentalistisch-terroristischen Gruppierungen keine Verhandlungen geben könne, bzw. diese daran auch gar nicht interessiert seien. Moderate Rebellengruppen würde es zum Teil noch geben, diese würden aber kaum noch eine Rolle spielen. Die Situation sei extrem kompliziert und unübersichtlich – ein Dilemma.
Kritik an Aufnahme christlicher Flüchtlinge
Zur Aufnahme christlicher Flüchtlinge aus Syrien äußerte sich der Bischof ebenfalls deutlich. „Sie helfen uns nicht, wenn sie Flüchtlinge in ihrem Land aufnehmen. Sie zerstören uns! Sie zerstören die Kirche und auch die Städte und das Land. Die Christen sind wichtige Elemente der Gesellschaft, positiv und wie das Salz im Essen oder Sauerteig für gutes Brot.“ Gerade darum brauche es so dringend Frieden.
Die Christen im Land wollten nichts anderes, als mit ihren muslimischen Mitbürgern in Frieden leben. Und die Mehrheit der Muslime wolle das auch, so Erzbischof Jeanbart. So gebe es beispielsweise auch im von Regierungstruppen kontrollierten Westteil von Aleppo keine Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, sagte der Bischof. Jeder Bewohner, ob Christ, Muslim, Anhänger einer anderen Religion oder ohne Konfession müsse die gleichen Rechte und Pflichten als Bürger besitzen. Das sei die einzig mögliche positive politische Perspektive für Syrien. „Wenn Sie uns helfen wollen, dann helfen Sie uns den Krieg zu beenden und da zu leben, wo wir sind. Darum bitten wir Sie.“
(kap 16.11.2016 ord)