Karlsruhe (KNA) Das Bundesverfassungsgericht hat einer Muslimin erlaubt, als Erzieherin in einem öffentlichen Kindergarten ein Kopftuch zu tragen. Die 2. Kammer des Ersten Senats entschied einstimmig, dass durch die anderslautenden Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des badenwürttembergischen Landesarbeitsgerichts die Frau in ihren Grundrechten verletzt werde. Der Fall wurde an das Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Die in der Türkei geborene Frau mit deutscher Staatsangehörigkeit arbeitet in einem Kindergarten in Sindelfingen bei Stuttgart. Die Stadt verlangte, die Muslimin solle im Dienst ihr Kopftuch ablegen. Weil sie das nicht tat, erhielt sie eine Abmahnung. Dagegen ging sie vor. Vor ihrer Entscheidung holten die Karlsruher Richter eine Reihe von Stellungnahmen ein, etwa vom Staatsministerium, dem Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland, von der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Kammer stellte fest, die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen verletzten die Frau in ihrem Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Wörtlich heißt es: “Darauf, dass im Islam unterschiedliche Auffassungen zum sogenannten Bedeckungsgebot vertreten werden, kommt es insoweit nicht an, da die religiöse Fundierung der Bekleidungswahl nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung jedenfalls hinreichend plausibel ist.” Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung war auch die im Land geltende Verbotsvorschrift zum Tragen von Kopftüchern. Dazu heißt es, dass eine rein abstrakte Gefahr nicht genüge, um den Frieden in einer Einrichtung oder deren Neutralität zu verletzen. Das Tragen eines Kopftuchs sei “nicht von vornherein dazu angetan, die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Kindergartenkinder zu beeinträchtigen”. Solange die Erzieherinnen nicht für ihren Glauben werben und Kinder zu beeinflussen versuchten, werde deren negative Glaubensfreiheit nicht beeinträchtigt. Das Grundgesetz gebietet demnach “im positiven Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulichreligiösem Gebiet zu sichern”, so die drei Richter. Grundsätzlich sei ein islamisches Kopftuch in Deutschland zudem “nicht unüblich”.
(KNA – qllmt-89-00037)