Von Katrin Gänsler (KNA) Zaria (KNA) Abdulhamid Bello schüttelt ratlos mit dem Kopf. “Wir sind sehr überrascht, dass der Gouverneur von Kaduna uns nun als Aufständische bezeichnet.” Bello, bekanntes Mitglied der schiitischen Islamischen Bewegung Nigerias (IMN) und Vorsitzender der sogenannten Märtyrer-Stiftung, klingt frustriert. Er beteuert: “Uns gibt es seit 40 Jahren. Aber wir haben keine Waffen, obwohl das oft behauptet wird. Wir richten keine Gewalt gegen die Regierung. Dafür gibt es keinerlei Beweise.” Die Entscheidung von Gouverneur Nasir Ahmad El-Rufai ist die jüngste Entwicklung in einem komplizierten Konflikt mit vielen Anschuldigungen und Propaganda von beiden Seiten. Noch vor einem Jahr war die Bewegung wenig bekannt. Generell sind die Schiiten in Nigeria wie auch in anderen westafrikanischen Ländern eine kleine Minderheit, über die man nicht viel weiß. Die große Mehrheit der nigerianischen Muslime sind Sunniten. Nach dem zweiten Dezember-Wochenende 2015 standen Sheikh Ibraheem Zakzaky und seine Anhänger allerdings mit einem Mal im Mittelpunkt harter Vorwürfe. Bei einer Prozession – generell finden die Märsche im November und Dezember statt – wurden 348 IMN-Unterstützer erschossen und in einem Massengrab beigesetzt. Die Bewegung spricht von mindestens 1.000 Todesopfern. Die Armee behauptete lange, sie habe nur sieben Schiiten getötet, die die Straße blockiert hätten. Es gab Anschuldigungen, dass Zakzakys Anhänger Armeechef Tukur Buratai ermorden wollten. Schnell entstanden neue Schauplätze: Gräber auf dem Friedhof der Gruppe wurden zerstört, das Haus von Zakzakys Mutter niedergerissen. Für Abdulhamid Bello ist das ein Zeichen dafür, dass die Angriffe von der Armee geplant waren. Das Massaker hatten auch zahlreiche Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch verurteilt. Dass der Konflikt so außer Kontrolle geraten ist, hatte auch der katholische Bischof von Sokoto, Matthew Hassan Kukah, beklagt. Er forderte beide Seiten zum Dialog auf. Beklagt wird nun die Entscheidung des Gouverneurs, die Islamische Bewegung als Aufständische zu bezeichnen. So wird in Nigeria schließlich auch die Terrormiliz Boko Haram genannt, auf deren Konto mittlerweile mindestens 20.000 Tote gehen. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) betonte Gouverneur El-Rufai zwar, dass Boko Haram nicht auf einer Stufe mit der Islamischen Bewegung Nigerias stehe. An seinem Kurs hält er dennoch fest. “Jede Bewegung, die eine Gefahr für die Gesellschaft und den Frieden darstellt, kann gesetzlich verboten werden. Wer Mitglied ist, kann strafrechtlich verfolgt werden.” Hauptproblem aus seiner Sicht ist, dass Zakzaky und dessen Anhänger die Verfassung Nigerias angeblich nicht anerkennen. Vor allem aber sei die Bewegung nicht staatlich registriert. El-Rufai stellt allerdings klar: “Wir verbieten keine Religion.” Zwei weitere schiitische Gruppierungen im Bundesstaat Kaduna könnten wie bisher arbeiten. Abdulhamid Bello sieht es anders: “Unsere Mitglieder gehen zur Wahl, wenn sie wollen. Sie haben nigerianische Pässe und reisen.” Registrieren lassen möchte er die Bewegung dennoch nicht. Seiner Meinung nach würde man sich dadurch zu sehr einschränken und stünde nicht mehr allen offen. Kritiker der Bewegung bemängeln diese Einstellung. Die Bewegung schaffe sich damit nur selbst Probleme. Das ist auch Sheikh Ibraheem Zakzaky immer wieder vorgeworfen worden. Seit dem Massaker vom 12. bis 14. Dezember 2015 sitzt er in Haft. Vor knapp zwei Wochen entschied der Oberste Gerichtshof in der Hauptstadt Abuja zwar, für die fast einjährige Untersuchungshaft gebe es keine Grundlage. Zakzaky müsse aus dem Gefängnis entlassen werden. Passiert ist das jedoch noch nicht. “Die Entscheidung des Gerichts hat ein wenig Gerechtigkeit gebracht”, sagt Abdulhamid Bello zum Abschied. Viele Familien wüssten immer noch nicht, was mit den verschwundenen Angehörigen passiert sei, ob sie zu den Toten im Massengrab gehörten. Mehr als 200 befinden sich laut Bello weiter in Untersuchungshaft: “Alles, was wir tun, tun wir in Angst”, sagt er.
(KNA – qlmln-89-00142)