Von Christoph Koitka (KNA)
Bonn (KNA) Der melkitische Pater Georges Aboud (48) betreute bis September eine Pfarrei in Syrien. Jetzt sucht er in Deutschland nach geflüchteten Glaubensbrüdern – im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz und des Patriarchen der melkitischen griechisch-katholischen Kirche. Im Interview der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) spricht er über seine neue Aufgabe und das Gemeindeleben in Zeiten des Bürgerkrieges. KNA: Pater Aboud, Sie sind Libanese, haben in Rom studiert und fünfzehn Jahre lang eine Pfarrei in Damaskus betreut. Wie haben Sie dabei so gut Deutsch gelernt? Aboud: Als ich in Rom war, hat uns unser Seminarleiter im Sommer zum Goethe-Institut in Freiburg im Breisgau geschickt. Dort habe ich die Sprache in zwei Sommern gelernt. KNA: Jetzt sind Sie zurück in Deutschland. Wie wird Ihr Arbeitsalltag aussehen? Aboud: Ich bin im Priesterseminar in Mainz untergebracht und reise von dort aus mit der Bahn durch das ganze Land. Ich kontaktiere die Leute, die ich schon aus Damaskus kenne, und suche melkitische griechisch-katholische Gläubige, die aus Syrien oder anderen Ländern geflüchtet sind. Das Ziel ist es zu wissen, wie viele Melkiten in Deutschland leben und wo sie sind. Mein Patriarch Gregorius Montag, 19. Dezember 2016 Seite 74 III. Laham und die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz haben mich mit dieser Aufgabe betraut. KNA: Was passiert, wenn die Statistik erstellt ist? Aboud: Wir wollen eine Struktur für die Seelsorge aufbauen. Deutschland ist ein großes Land, und die Gläubigen sind sehr verstreut. Meine Aufgabe ist nicht schwierig oder kompliziert, wird aber Zeit brauchen. KNA: Wie viele griechisch-katholische Melkiten gibt es denn – weltweit und in Deutschland? Aboud: Weltweit sind wir etwa 1,6 Millionen. Ich kann aber nicht einschätzen, wie viele davon geflohen sind. Mitglieder unserer Kirche gibt es im ganzen Nahen Osten, nicht nur in Syrien. Und die Flüchtlinge haben sich vorher nicht in Damaskus abgemeldet. Außerdem sind die Leute nicht nur nach Deutschland geflohen. Ich schätze aber, dass tausende Melkiten in Deutschland sind. KNA: Können die Melkiten in Deutschland problemlos an den hier üblichen Gottesdiensten teilnehmen? Aboud: In unserer Kirche feiern wir den Gottesdienst nach dem byzantinischen Ritus, der sich vom lateinischen Ritus unterscheidet. Für die Flüchtlinge ist das ungewohnt: Sie kennen die Sprache noch nicht und der Ritus ist ihnen fremd. Darum freuen sie sich riesig, wenn ein Priester mit ihnen in der vertrauten Liturgie den Gottesdienst feiert. Das ist auch ein Stück Heimat. KNA: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer eigenen Heimatgemeinde in Damaskus? Aboud: Die Kirche steht noch, obwohl sie mehrfach von Mörsergranaten getroffen wurde. Es gab aber auch in unserer Gemeinde Kriegsopfer. Trotz Bomben und Granaten in Damaskus ist die Pfarrei aber noch lebendig. Wir feiern Gottesdienste, taufen Kinder und halten Beerdigungen ab. Das Leben geht immer weiter. KNA: Haben Sie darüber nachgedacht, die Gemeinde zu schließen? Aboud: Nie! Im Gegenteil: Wir versuchen, die Menschen zu ermutigen, im Land zu bleiben und für ihre Heimat und den Glauben zu kämpfen. Ich wünsche mir, dass alle, die geflohen sind, zurückkehren können. Alle, die Syrien verlassen haben, haben Sehnsucht. Heimat bleibt Heimat. Die melkitisch-griechische katholische Kirche ist eine von 23 Ostkirchen, die den Papst als ihr Oberhaupt anerkennen. Ihre byzantinisch geprägten Gottesdienste feiern die Melkiten heute überwiegend in arabischer Sprache. Sie sehen sich als direkte geistliche Nachkommen der ersten christlichen Gemeinden aus Jerusalem und Galiläa.
(KNA – qlmlt-89-00016)