Zu Beginn des neuen Jahres hält die Debatte über die Einstufung der Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsländer an. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach sich am Mittwoch dafür aus. Grünen-Chefin Simone Peter dagegen betonte, dass die Grünen im Bund in dieser Frage nicht mitgehen würden. Auch der Grünen-Abgeordnete Volker Beck ist gegen eine solche Einstufung. “Baden-Württemberg wird der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer um die besagten MaghrebStaaten zustimmen, sofern die Bundesregierung das Ansinnen in den Bundesrat einbringt”, sagte Kretschmann der “Rheinischen Post”. Schon in früheren Debatten über die Balkanstaaten war Kretschmann in seiner Partei angeeckt. Mit Blick auf die Maghreb-Staaten sagte er jetzt: “Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden.” Nach dem Anschlag in Berlin war die Diskussion neu entbrannt. Der mutmaßliche Attentäter stammt aus Tunesien. Zu Weihnachten hatte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) erklärt, Asylverfahren bei Tunesiern würden schneller verlaufen, wenn die Maghreb-Staaten als sicher eingestuft wären. Die Grünen müssten ihre “Blockadehaltung” aufgeben. Politiker aus Deutschland und Österreich forderten eine Kürzung von Entwicklungshilfe für Länder, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen. Nach Ansicht von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erwarten die Menschen klare Konzepte vom Staat, wie er sie besser gegen nordafrikanische Intensivtäter schützen will. “Die Menschen wollen klare Antworten auf die Frage, wie der Staat bestmöglich für ihre Sicherheit sorgt und sie zum Beispiel vor Nafris schützt”, sagte Dobrindt der “Passauer Neuen Presse” (Donnerstag) und wählte dabei ganz bewusst die umstrittene Abkürzung aus dem Polizeijargon. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte der “Saarbrücker Zeitung”, sie sehe “grundsätzlich keinen Grund”, warum abgelehnte Asylbewerber nicht in MaghrebStaaten zurückkehren sollten. Die freiwillige Rückkehr sei jedoch “der klar wichtigere und auch der aussichtsreichere Weg”. Grünen-Chefin Peter sagte in derselben Zeitung, es sei sinnvoller, “die Rückführung mit Rückführungsabkommen und individuellen Hilfen zu regeln”. Beck verwies in Berlin auf Menschenrechtsorganisationen, die in den Maghreb-Staaten Folter und Misshandlungen im Polizeigewahrsam beklagten. Abschiebung setze die Aufnahmebereitschaft der Herkunftsstaaten voraus. “Daran hapert es bei den Maghreb-Staaten.” Junge Flüchtlinge aus Nordafrika brauchen nach Meinung des Kölner Migrations-Experten Tim Westholt klarere Zukunftsaussichten. Die Probleme, die besonders in den Kölner Silvesternächten sichtbar geworden seien, seien in Perspektivlosigkeit begründet, sagte der Leiter des CaritasFachdienstes Integration/Migration der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
(KNA – rklko-89-00138)