Bonn (KNA) Der Politik- und Medienwissenschaftler Jörg Becker kritisiert einen Großteil der Medienberichte über den Krieg in Syrien. “Es wird immer selektiv nach dem gleichen Muster berichtet”, sagte Becker am Donnerstagabend in Bonn. Die Situation in Syrien sei aber zu komplex, um sie unter der Formel “Demokratie versus Islamisten” zusammenzufassen, wie es meistens geschehe. Becker kritisierte weiter, die Auswahl der Nachrichten sei häufig zu selektiv. Selbst die sogenannten Leitmedien seien hier in einer “Identitätskrise”. Dahinter steckten unter anderem ökonomische Interessen und der Trend zu immer schnelleren Nachrichten. Der emeritierte Professor verurteilte auch den in vielen Medien verwendeten Begriff “moderate Rebellen”: Dadurch sollten “bewaffnete Gruppen in den westlichen Kontext eingebunden werden und friedlicher erscheinen”. Becker äußerte sich bei einer Diskussion unter dem Titel “Die Medien in Krisen und Krieg. Das Beispiel Syrien”. Eingeladen hatte das Bonner Friedensbündnis. Neben Becker diskutierten die Journalisten Karin Leukefeld und Wolfgang Zimmer. Aus Sicht von Leukefeld, die als freie Korrespondentin auch in Syrien arbeitet, orientiert sich die Sichtweise vieler Medien sehr stark am Blick der Opposition aus dem Ausland. Die Opposition in Syrien selbst, die sich aus insgesamt etwa 150 Gruppen zusammensetze, werde kaum wahrgenommen. Seit Beginn des Konfliktes habe es zahlreiche Ereignisse gegeben, über die in deutschen Medien nicht berichtet worden sei. Leukefeld forderte eine stärkere “öffentliche Debatte um die Aufgabe des Journalismus”. Die Medien hätten viel umfassender berichten müssen, um die sehr komplexe Lage und die Zusammenhänge in Syrien zu erläutern, ergänzte die Journalistin: “Vielleicht wäre die Politik so gezwungen worden, anders zu handeln.” Auch habe eine aus ihrer Sicht einseitige Berichterstattung den Konflikt eskalieren lassen. Etliche Redaktionen, denen sie ihre Berichte angeboten habe, hätten ihr diese zunehmend nicht abgenommen. Zwischendurch habe sie daher sogar überlegt, ihren Beruf aufzugeben. Wolfgang Zimmer, der unter anderem als Moderator beim WDR tätig ist, verteidigte den öffentlichrechtlichen Rundfunk: “Bei uns wird sehr gewissenhaft gearbeitet. Wir versuchen, zu jedem Thema verschiedene und vielfältige Quellen anzuzapfen.” Man könne “die Medien” nicht über einen Kamm scheren. Zimmer verwies auch auf den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der über Gesetze geregelt sei. Zugleich räumt er ein, dass die Arbeit in Kriegsgebieten immer schwieriger werde und zahlreichen Einschränkungen unterliege.
(KNA – rkmkn-89-00045)