Von Christoph Renzikowski (KNA) München (KNA) Papst Franziskus hat sich kurzfristig zu einem Besuch in Ägypten entschlossen. Der koptisch-katholische Bischof von Assiut, Kyrillos William, sprach am Donnerstag in München über die Hoffnungen, die sich in seinem Land an die Reise Ende April knüpfen. Und er berichtete über den Stand der muslimisch-christlichen Beziehungen. William hält sich noch bis Freitag in Deutschland auf.
KNA: Bischof Kyrillos, wie hat sich aus Ihrer Sicht die Lage der Christen in Ägypten seit der Revolution entwickelt?
Bischof Kyrillos: Christen sind in Ägypten seit 150 Jahren Bürger zweiter Klasse. Einige Posten bleiben ihnen bis heute verwehrt. Unter Saddat wurde es noch schlechter, unter Mubarak nicht besser, unter Mursi, der einen islamischen Staat mit der Scharia als Rechtsgrundlage einführen wollte, war es eine Katastrophe. Jetzt merken wir viele Zeichen der Besserung.
KNA: Welche?
Kyrillos: Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat wiederholt zu Weihnachten die Kathedrale besucht, das hat kein Amtsinhaber vor ihm getan. Er entschuldigte sich für die Anschläge auf christliche Kirchen, auch für die verspäteten Restaurierungen. Jetzt ist alles repariert, mit staatlichem Geld. Beim letzten Mal hat er alle überrascht mit einer Ankündigung: In der neuen Hauptstadt Neu-Kairo sollen die größte Kirche und die größte Moschee Ägyptens nebeneinander entstehen, verbunden durch ein Zentrum für den Dialog. Der Präsident hat ein Spendenkonto eröffnet und den ersten Betrag selbst eingezahlt. Dabei kann aber nur für das ganze Projekt gespendet werden, nicht etwa nur für die Moschee. Das sind klare Signale.
KNA: Sie scheinen von al-Sisi sehr angetan zu sein.
Kyrillos: Ja. Als Anfang 2015 vom “Islamischen Staat” 21 ägyptische Christen in Libyen ermordet wurden, hat er die Täter am selben Tag bombardiert, hat dem Patriarchen an der Kathedrale kondoliert, seinen Innenminister aufs Land geschickt, um die Hinterbliebenen zu trösten. Er hat veranlasst, dass zu Ehren der Märtyrer eine Kirche gebaut wurde, die der Staat bezahlt hat. Der Präsident ist sich voll bewusst, dass unser Land nur eine Zukunft hat, wenn alle Ägypter zusammenhalten. Auch ermahnt er die Al-Azhar-Universität und die Muslime, ihre religiöse Sprache zu ändern, von den Freitagspredigten bis zu den Schulbüchern.
KNA: Beschreiben Sie die Haltung der muslimischen Mehrheit im alltäglichen Umgang mit den Christen.
Kyrillos: Man muss zwischen den normalen Muslimen unterscheiden und den Islamisten. Die große Mehrheit der Muslime hat 1.400 Jahre lang friedlich mit den Christen zusammengelebt. Im Alltag gibt es gute Beziehungen, man arbeitet zusammen, besucht sich an den religiösen Feiertagen gegenseitig. Wir gratulieren im Ramadan und laden manchmal selbst Muslime zum Fastenbrechen ein. Und nicht wenige Pfarrer haben mir erzählt, dass in Orten, wo es Anschläge auf Kirchen gab, Muslime zu ihnen kamen und ihnen Schutz versprochen haben.
KNA: Welchen Einfluss haben Muslimbrüder und noch extremere islamistische Gruppen?
Kyrillos: Vor allem der IS ist eine große Gefahr für uns, im Nord-Sinai und im Westen an der libyschen Grenze. Die ist sehr gut bewacht, die Sicherheitskräfte versuchen eine Infiltration zu verhindern, aber manchmal entdecken sie Nester, wo schon versucht wird, ein eigenes Territorium zu organisieren. Das wird aber sofort unterbunden.
KNA: Sind die Muslimbrüder und der IS Verbündete oder Rivalen?
Kyrillos: Wir meinen, das sind nur verschiedene Namen für dasselbe.
KNA: Was erhoffen Sie sich vom Besuch des Papstes, insbesondere vom Treffen mit dem Scheich der Al-Azhar?
Kyrillos: Der Papst wird von allen Ägyptern hoch geschätzt. Grund ist sein Verhalten gegenüber anderen Religionen. Der Dialog zwischen der Al-Azhar und dem Heiligen Stuhl lag sieben Jahre auf Eis. Jetzt geht er endlich weiter. Al-Azhar wartet auf diesen Besuch, man wollte dort einen internationalen Friedenskongress organisieren und hat dazu den Papst eingeladen. Der Besuch von Franziskus zollt dieser führenden Institution für den sunnitischen Islam Anerkennung. Al-Azhar ist ja nicht nur die Universität, sondern mit dem Scheich auch so etwas wie der Vatikan für alle sunnitischen Muslime auf der Welt.
KNA: Wie steht die Al-Azhar zu den Kopten im Land? Nutzt sie ihren Einfluss für deren Schutz oder heizt sie nicht auch immer wieder die Atmosphäre an?
Kyrillos: Offiziell hat die Al-Azhar mit der Kirche eine Initiative begonnen vor fünf, sechs Jahren: “Haus der Familie”. Da treffen sich regelmäßig Vertreter der christlichen Konfessionen mit moderaten Muslimen, um religiöse Konflikte zu lösen oder sogar zu verhindern. Erst gab es ein solches Komitee nur in Kairo, inzwischen fast in allen Provinzen. Sie koordinieren Dialogprojekte bis hinein in einzelne Dörfer. Da pflanzen christliche und muslimische Jugendliche Bäume miteinander. Oder es werden Imame und Priester gemeinsam geschult, wie sie reden, sich verhalten sollen.
KNA: Kann es einen fruchtbaren Dialog zwischen Kirche und Islam überhaupt geben, vergleichbar zwischen Christen und Juden?
Kyrillos: Theologischer Dialog ist schwierig bis unmöglich. Denn Muslime halten uns ja für Ungläubige, die drei Götter anbeten, weil sie die Dreifaltigkeit nicht verstehen. Aber es gibt die Möglichkeit zum Dialog des Lebens, also einer Verständigung über Tugenden, Werte als Grundlagen einer Zusammenarbeit. Die katholische Kirche unterhält in Ägypten 170 Schulen, die zu 90 Prozent von Nicht-Katholiken besucht werden. Muslime schicken ihre Kinder gern, weil sie von der Qualität der Ausbildung und Erziehung überzeugt sind. Auch unsere Krankenhäuser sind für alle offen. Wir wollen damit Brücken bauen. Bei mir in Assiut gibt es in den ersten Januartagen jedes Jahr ein Gebet für den Frieden. Da sind alle eingeladen und da leben wir dann mit den Muslimen mehrere Stunden lang richtige Brüderlichkeit.
(KNA – rknnk-89-00061)