Von Thomas Jansen (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Die Ägypten-Reise von Papst Franziskus steht im Zeichen des islamistischen Terrors: Drei Wochen vor seinem Besuch in Kairo detonierten am Palmsonntag Sprengsätze in zwei koptischen Kirchen in Tanta und Alexandria und rissen 46 Menschen in den Tod.
Von seinen Reiseplänen abgebracht hat das den Papst jedoch nicht. Auch Veränderungen im Programm soll es laut Vatikan nicht geben. Diese Entschlossenheit hat Franziskus auch über Ägypten hinaus Anerkennung in der arabischen Welt eingebracht. Palästinenser-Präsident Mahmut Abbas sprach in einem Brief an den Papst von einem “mutigen Schritt”, der die “moderaten Stimmen in der Welt und vor allem in unserer Region” ermutige.
Ob ein Zusammenhang zwischen den Anschlägen und der Reise am 28. und 29. April besteht, ist unklar. Offensichtlich ist jedoch, dass sie auch ein Angriff auf den christlich-islamischen Dialog waren, wie der vatikanische Innenminister, Erzbischof Angelo Becciu, sagte. Und der ist das zentrale Anliegen der Ägypten-Reise des Papstes. Franziskus’ Besuch beim Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo, Ahmed Mohammed alTayyeb, soll ein Zeichen für den christlich-islamischen Schulterschluss gegen religiösen Fanatismus setzen.
Der Papst und der geistliche Vorsteher der weltweit renommiertesten Lehrstätte des sunnitischen Islam sprechen beide auf einer Konferenz über Frieden. Die Anschläge bringen Franziskus gegenüber den Kopten in eine schwierige Lage. Denn die anschließenden Proteste gegen Staatspräsident Abdel-Fattah al-Sisi machten erneut deutlich, dass nicht alle Kopten den regimefreundlichen Kurs ihres Oberhaupts, Papst Tawadros II., gutheißen.
Die Demonstranten hielten al-Sisi mangelnden Schutz der christlichen Minderheit vor. Dass dies offenbar nicht ganz unberechtigt ist, zeigte sich daran, dass der Präsident den Schutz der Kirchen nach den Anschlägen von der Polizei auf das Militär übertrug. Franziskus hat Tawadros II. und der koptischen Kirche nach den Anschlägen kondoliert. Einen besseren Schutz für Kopten forderte er allerdings nicht. Abgehalten haben davon dürften ihn nicht zuletzt auch die negativen Erfahrungen, die Benedikt XVI. mit einer solchen Einlassung 2011 gemacht hatte. Damals löste diese Forderung in Ägypten Empörung aus und die Al-Azhar Universität brach ihren offiziellen Dialog mit Vatikan aus Protest ab – Großimam war bereits damals al-Tayyeb.
Franziskus scheint diese Lektion zu beherzigen. Auffällig war jedenfalls, dass er die Anschläge in seiner diesjährigen Osterbotschaft nicht ansprach; und die schwierige Lage der Christen im Nahen Osten insgesamt nicht direkt zur Sprache kam. Diese Zurückhaltung dürfte auch im Sinne seines Gesprächspartners Tawadros II. sein. Ungeachtet von wachsender Kritik unter seinen Bischöfen, steht das Oberhaupt der koptischen Kirche weiter zu al-Sisi. Als Angehörige seiner Kirche nach einer Welle der Gewalt gegen Kopten im Herbst 2016 vor dem Weißen Haus in den USA demonstrierten, forderte er ein Ende des Protests. Schon als al-Sisi nach dem Militärputsch 2013 seinen islamistischen Vorgänger Mohammed Mursi absetzte, stellte sich Tawadros demonstrativ hinter den damaligen General. Al-Sisi seinerseits bemühte sich um ein gutes Verhältnis zur koptischen Minderheit und besuchte 2015 als erstes ägyptisches Staatsoberhaupt einen koptischen Gottesdienst. Das weiß man auch im Vatikan zu schätzen.
Die Folgen von Franziskus’ Reise für diesen innerkoptischen Konflikt sind schwer abschätzbar. Fest steht jedoch schon jetzt: Im vatikanisch-islamischen Dialog eröffnet sein Besuch in Kairo eine neue Phase. Bereits Johannes Paul II. hatte 1980 die Al-Azhar-Universität besucht. Ein offizieller regelmä- ßiger Dialog mit dem Vatikan bestand aber erst seit 1998 – bis er 2011 von ägyptischer Seite abgebrochen wurde. Ein erster entscheidender Schritt der Wiederannäherung war der Besuch al-Tayyebs beim Papst im Vatikan im Mai 2016. Vor einigen Wochen reiste dann erstmals wieder eine vatikanische Delegation unter Leitung von Kurienkardinal Jean-Louis Tauran zu Gesprächen nach Kairo. Das markierte die Wiederaufnahme des offiziellen Dialogs. Nun ist er endgültig Chefsache.
(KNA – rkolr-89-00001)