(Radio Vatikan) Gute Nachrichten für Christen im Irak: 13.000 Häuser will die päpstliche Stiftung „Kirche in Not“ in der irakischen Ninive-Ebene bauen, berichtet Radio Vatikan.
Wo bis vor Kurzem noch der Islamische Staat wütete, soll wieder Normalität einkehren: So werden an diesem Montag drei Baustellen in der Region eingeweiht, wo die ersten der durch die Terrormiliz zerstörten Privathäuser wieder aufgebaut werden sollen. An den Kirchen der drei christlichen Orte Bartella, Karamless und Karakosch erhalten dabei christliche, zur Rückkehr gewillte Familien Olivenbäume: Sie mögen „an dem Ort wieder Wurzeln schlagen, wo sie geboren wurden, dort leben und Früchte des Friedens und der Versöhnung hervorbringen“, heißt es in der dazugehörigen Grußbotschaft.
Zeichen der Hoffnung
Als „Zeichen der Hoffnung“ wertet die Wiederaufbaumaßnahme Louis Raphael I. Sako, chaldäischer Patriarch von Bagdad. Er ist Mitglied im so genannten „Ninive-Wiederaufbau-Komitee“, das die Initiative zusammen mit Kirche in Not auf den Weg gebracht hat: „Es gibt heute 80.000 Menschen, die in ihre Häuser zurückkehren möchten. Sie leben in den Städten Kurdistans, die Kirche gab ihnen Unterkunft und Essen. Wir haben die Restaurierung der Häuser mit dem Wenigen begonnen, was wir hatten, um die Leute zur Rückkehr zu ermutigen und nicht zu erlauben, dass andere Leute deren Häuser besetzen.“
Die Besetzung durch den Islamischen Staat trieb einen Keil zwischen die Religionsgemeinschaften, der Krieg führte zu Chaos, das Vertrauen in die eigenen Nachbarn wurde erschüttert. Patriarch Sako ist einer der Kirchenvertreter, die sich aktiv für Dialog und Zusammenarbeit beim Wiederaufbau des Irak einsetzen. So bemüht er sich gemeinsam mit muslimischen Vertretern um Hilfe für die Flüchtlinge, darunter Muslime wie Christen: „Zwei Mal bin ich mit Muslimen in Flüchtlingslager gegangen, darunter in ein Lager bei Mossul, wo 39.000 Flüchtlinge ausharren. Wir brachten den Menschen Essen und sprachen mit ihnen, um unsere Solidarität und Nähe zu zeigen. Sie schätzen das sehr.“
Immer mehr Christen wollen zurück
Eine im März durchgeführte Umfrage ergab, dass 41 Prozent der christlichen Familien definitiv in ihre Häuser in der Ninive-Eben zurückkehren wollten, die sie 2014 während der IS-Invasion verlassen mussten. Das berichtet „Kirche in Not“. Weitere 46 Prozent der Familien ziehen demnach eine Rückkehr ernsthaft in Erwägung. Im Gegensatz dazu seien im November 2016 nur 3,3 Prozent der befragten Familien dazu bereit gewesen, in ihre Dörfer zurückzukehren. Eine bemerkenswerte Entwicklung, die aufgrund einer verbesserten Sicherheitspolitik der Lokalregierung möglich wurde. Das sagt Herbert Rechberger, „Kirche in Not“-Nationaldirektor in Österreich, im Interview mit Radio Vatikan: „Einer der Gründe dafür ist, dass von der kurdischen Regierung auch eine gewisse Sicherheit geboten wurde, man hat natürlich anfangs nie genau gewusst, wie schaut die Sicherheitslage aus, wenn die Christen jetzt wieder in ihre Dörfer zurückkehren. Und da hat sich einiges verändert.“
„Kirche in Not“ hofft, dass die Wiederaufbaumaßnahme Signalwirkung für die christlichen Gemeinschaften haben kann. Wenn jetzt die Gelegenheit verpasst würde, den Christen bei der Rückkehr zu helfen, könnte das fatale Folgen für den Irak haben, so Rechberger: „Was passiert, wenn sie keine Chance haben, irgendetwas zu bauen, keine Hoffnung haben auch für die Zukunft? Dann gehen sie weg, dann gehen sie genauso weg wie viele andere auch! Und unser Projekt ist eben ein Versuch, das zu verhindern. Damit kommen wir auch den Wünschen der Ortskirche nach, die wirklich große Sorge hat, dass die Ursprungsländer des Christentums einmal christenfrei sein werden.“
Positiv merkt Rechberger an, dass der politischen Führung des Irak viel daran liegt, die Christen in der Region zu halten – die Minderheit habe positive Auswirkungen auf das soziale Zusammenleben. „Christen vermitteln schon auch eine gewisse Stabilität vor Ort, sie sind im Prinzip gerne gesehen – das war schon früher so, wenn es auch immer wieder Konflikte gegeben hat. Aber auch die Politik ist denke ich interessiert daran, dass die Christen nicht alle weggehen.“
Krieg ist noch nicht vorbei
Viel muss dafür allerdings noch getan werden – so verweist Patriarch Sako im Interview mit Radio Vatikan etwa auf die massiven Zerstörungen, die das Land erleiden musste. Der Krieg sei schließlich noch nicht vorbei, erinnert der chaldäische Erzbischof mit Verweis auf die laufende internationale Anti-IS-Initiative, die vor sieben Monaten startete: „Seitdem wurden fast die gesamte Ninive-Ebene und große Teile Mossuls befreit. Im Osten dieser Stadt gestaltet sich die Initiative aber schwieriger, denn es gibt keine Durchfahrtsstraßen und Menschen sitzen als Geiseln fest. Die irakischen Sicherheitskräfte sagen, in drei Wochen sei die ganze Stadt befreit. Ich glaube, das wird länger dauern.“
Ein politisches Projekt für den Irak hält der chaldäische Kirchenmann zu diesem Zeitpunkt für verfrüht. So wertet er auch die jüngsten Vorschläge zur Neuordnung der nordirakischen Regionen und der vorrangig von Christen bewohnten Ninive-Ebene als ungünstig: sie hätten nicht den Wiederaufbau und Stabilität zum ersten Ziel, sondern würden Einzelinteressen vertreten: „Das sind verschiedene politische Parteien, es gibt da Konkurrenz, sie wollen Stimmen für die Wahlen im kommenden Jahr gewinnen. Sie haben Ehrgeiz, aber keine Einheit. Auch gibt es keine Klarheit. Ich habe sie kennengelernt; das sind keine wahren Politiker, die eine Vision, einen Plan haben.“
Politische Vorschläge zur Neuordnung des Nordirak kamen etwa in der letzten Zeit von der paramilitärischen Gruppe der Babylon-Brigaden und Vertretern der Assyrischen Demokratischen Bewegung und der Bethnahrein-Partei.
Die Gesamtkosten des Wiederaufbaus der christlichen Dörfer belaufen sich nach Angaben von Kirche in Not schätzungsweise auf über 250 Millionen Dollar. Dem mit dem Wiederaufbau beauftragten Ausschuss, an dem die drei irakischen Ortskirchen beteiligt sind, hat die päpstliche Stiftung bereits 450.000 Dollar zur Verfügung gestellt.
(rv/kirche in not 08.04.2017 pr)