Köln (KNA) Vor dem Landgericht Köln müssen sich ab Montag in einem Mammutprozess frühere Verantwortliche und Mitarbeiter der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Steuerhinterziehung und Betrug von Tausenden Spendern vor (Aktenzeichen 112 KLs 35/11). Angesetzt sind zunächst bis 8. März 2018 insgesamt 50 Hauptverhandlungstage. Milli Görüs begreift sich selbst als islamische Religionsgemeinschaft, ist aber nicht als öffentlichrechtliche Körperschaft staatlich anerkannt. Dem Verband gehören mehr als 300 Moscheen an. Die Organisation wird in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet, dabei als teilweise islamistisch, aber nicht gewalttätig eingestuft.
Verhandelt werden vor der 12. großen Strafkammer zwei miteinander verbundene Verfahren. Im ersten wird vier Angeklagten – darunter der ehemalige Generalsekretär und der ehemalige Vorsitzende sowie einem Buchhalter – zur Last gelegt, zwischen 2004 und 2008 mehrere Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben, indem sie Einkünfte aus der Organisation von Pilgerreisen und sogenannten Kurban-Opfern sowie aus dem Verkauf von Gebetskalendern gegenüber dem Finanzamt verschwiegen. Muslime können zum Opferfest andere Muslime beauftragen, ein Opfertier zu schlachten, und dafür Geld spenden. Mit der zweiten Anklage wird ebenfalls vier Angeklagten (den gleichen drei früheren Verantwortlichen und dem Vorsitzenden der Zentralbuchhaltung) vorgeworfen, zwischen 2005 und 2009 Vereinsmitglieder betrogen zu haben.
So sollen sie von ihnen jeweils 100 Euro entgegengenommen haben, um dieses Geld zur Durchführung von Kurban-Opfern zu verwenden. Tatsächlich sollen die Angeklagten aber 30 Prozent der Spendengelder für andere Zwecke abgezweigt haben. Dadurch sollen sie laut Anklage über elf Millionen Euro Betrugsschaden verursacht haben. Da es sich um eine sehr große Zahl möglicher betrogener Spender handelt, ist die Zahl der durch die Kammer zu vernehmenden Zeugen derzeit noch nicht absehbar. In Zusammenhang mit Milli Görüs gibt es vor dem Landgericht noch eine weitere Anklage: Die Staatsanwaltschaft wirft drei der an den beiden anderen Verfahren Beteiligten vor, Sozialversicherungsabgaben nicht abgeführt zu haben. Sie sollen eine Vielzahl von Imamen zum Teil über Monate nicht zur Sozialversicherung angemeldet haben. Über die Eröffnung dieses Verfahrens hat die Kammer noch nicht entschieden.
(KNA – rktlr-89-00012)