Stuttgart (KNA) Gegen eine vereinfachende Sicht christlich-jüdischen und jüdisch-muslimischen Zusammenlebens im Mittelalter wendet sich der Tübinger Religionswissenschaftler Stefan Schreiner.
Zwar ließen sich immer wieder Kulturtransfers zwischen den Religionen beobachten, die heute beschworene “christlich-jüdische Tradition des Abendlands” habe es aber nicht gegeben. Sie sei vielmehr erst “nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Erschrecken über die Schoah entstanden”, so Schreiner in einem Beitrag für die in Stuttgart erscheinende Zeitschrift “Welt und Umwelt der Bibel”. “Für die christliche Selbstwahrnehmung brauchte man jahrhundertelang das negative Gegenüber, das ‘Feindbild Juden’. Eine gemeinsame ‘christlich-jüdische Tradition’ ist da nicht erkennbar”, so der Wissenschaftler.
Auch heutige Vorstellungen über ein “goldenes Zeitalter” der Toleranz zwischen Juden und Muslimen seien klischeebelastet und oft erst das Ergebnis späterer, verklärender Beschreibungen, betonte Schreiner, der zur Geschichte von Islam und Judentum forscht. Das vom Katholischen Bibelwerk herausgegebene Heft befasst sich mit dem Zusammenleben der drei Weltreligionen vom siebten bis zwölften Jahrhundert. Auch werden die Heiligen Schriften von Juden, Christen und Muslimen in Blick auf ihre Aussagen zu Andersgläubigen untersucht und neue archäologische Entdeckungen vorgestellt.
(KNA – rlkmo-89-00108)