Wo Pfarrer auf Gurus treffen Von Gregor Krumpholz (KNA) Berlin (KNA)
“Arm aber fromm”: So könnte man ein bekanntes Wort des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) über die Bundeshauptstadt abwandeln. Zwar ist gut jeder zweite Berliner konfessionslos, die andere knappe Hälfte jedoch bekennt sich zu einer der bis zu 300 Religionsgemeinschaften und spirituellen Gruppierungen in der Stadt.
Im “Berliner Forum der Religionen” haben sie mit Hilfe des Senats eine bundesweit einmalig breite Plattform für gemeinsame Aktionen. Inzwischen sind rund 100 Religionsgemeinschaften und interreligiöse Initiativen in dem Forum vertreten, das am Dienstagabend seine Jahreskonferenz hielt. Sie kommen aus den Kirchen sowie aus muslimischen und jüdischen Gemeinden und Organisationen. Aber auch Buddhisten und Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften aus dem Fernen Osten engagieren sich in der ersten Reihe. Das Forum versteht sich nicht als exklusiver Club. Es ist nach eigenen Angaben offen für jeden, der zu einem “Dialog auf Augenhöhe” bereit ist. Der Anstoß dazu kam von Wowereit.
Im Januar 2011 lud er zu einem “Berliner Dialog der Religionen”, der sich drei Jahre später in Form des Forums verstetigte. Für das damalige Stadtoberhaupt war es nach eigenem Bekunden ein Weg, Berlin als tolerante und weltoffene Metropole zu präsentieren. Als Anlass nannte er aber auch konkrete Vorfälle wie Anschläge auf Moscheen und Übergriffe auf Juden. Wowereit rief die Dialogpartner auf, ein Klima zu fördern, in dem sich Menschen verschiedener Religionen wechselseitig akzeptieren. In einem Appell wandte sich das Forum vor drei Jahren selbst politisch prägnant an die Öffentlichkeit. Anlässlich der ersten Demonstrationen der “Patrioten Europas gegen die Islamisierung des Abendlandes” (Pegida) verurteilte es jegliche “Verunglimpfung” des Islam und forderte, fremdenfeindlichen Aktionen energisch entgegenzutreten. Vor allem setzt das Forum jedoch darauf, die Angehörigen verschiedener Religionen einander nahe zu bringen. Am bekanntesten ist die “Lange Nacht der Religionen”, die am 8. September 2018 zum siebten Mal stattfindet.
In diesem Jahr hatten die rund 80 einbezogenen Gottes- und Gemeindehäuser nach Angaben des Organisators Thomas M. Schimmel rund 10.000 Besucher. “Allerdings zumeist aus dem bürgerlichen Mittelstand”, wie er bei dem Jahrestreffen einräumte und damit auch ein Problem des interreligiösen Dialogs insgesamt ansprach. In seiner Jahresbilanz hob das Forum auch seine Beteiligung an der Internationalen Gartenausstellung in Berlin-Marzahn hervor. In einem interreligiösen Pavillon gab es an den 186 Öffnungstagen Mittagsandachten, die von verschiedenen Religionsgemeinschaften gestaltet wurden. Mit einem Kinder- und Jugendfest am 3. Oktober wandte sich das Bündnis auch an ein jüngeres Publikum.
Der Senatsbeauftragte für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, Hartmut Rhein, würdigte dies als “wichtigen Leuchtturm in Zeiten der Polarisierung”. Auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte nur lobende Worte für die Entwicklung des Forums. Der konfessionslose Politiker empfahl, den Humanistischen Verband als Partner in den Blick zu nehmen. “Dort wird kein aggressiver Atheismus mehr gepflegt”, meinte Lederer. Mehr als weitere Bündnispartner beschäftigte die Forumsmitglieder indes eine stärkere öffentliche Förderung. Lederer wies Wünsche nach einer direkten Finanzhilfe zurück, sicherte ihnen aber die weitere Unterstützung des Senats etwa bei der Sponsorensuchen zu und gab den Ball an die Kirchen weiter. Es sei im eigenen Interesse jeder Religionsgemeinschaft, “ein gesellschaftliches Klima der Glaubensfreiheit zu fördern”, so Lederer.
Die Leitungen der großen Kirchen sehen nach eigenem Bekunden bislang allerdings wenig Anlass zu verstärkten Kooperationen etwa mit Schamanen und Anhängern von Naturreligionen. Das Forum bleibt weiter vor allem auf den Senat als “Dienstleister” angewiesen. So konnte es wie in den vergangenen Jahren sein Jahrestreffen erneut in den repräsentativen Räumen des Roten Rathauses abhalten.
(KNA – rllmm-89-00178)