Globalisierung einerseits und die Anschläge vom 11. September 2001 andererseits haben das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Christentum und Islam zum Kampf der Kulturen hochstilisiert. In diesem von Vorurteilen, Unkenntnis und Angst geprägten Klima trägt der vorliegende Band zur wechselseitigen Verständigung beider Weltreligionen bei, indem er ihre kulturellen und religiösen Wurzeln aufzeigt.
Ein erster Teil gibt Antworten auf die Fragen:
- Wie ist mit heiligen Schriften umzugehen?
- Wie sind sie aufgebaut?
- Wie sind sie zu verstehen?
Im zweiten Teil werden die Geschichten und Erzählungen der Heiligen Bücher synoptisch gegenübergestellt und gedeutet, u. a. die Urgeschichten, Abraham, Josefgeschichten, Mose, Jesus Christus und zuletzt Muhammed in der Bibel. Jedes Kapitel schließt mit einer prägnanten Zusammenfassung, mit methodisch–didaktischen Impulsen und ausführlichen Hinweisen zu Literatur und Medien.
Autoren:
Prof. Dr. Stephan Leimgruber, geb. 1948, ist Professor für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München und seit 2003 Dekan der Kath.-Theol. Fakultät der Uni München.
Stefan Jakob Wimmer, Ph.D., geb. 1963, Reiseleitungen für Biblische Reisen GmbH (Stuttgart), seit 1998 wiss. Assistent am Lehrstuhl Altes Testament der Kath.-Theol. Fakultät und seit 1999 zusätzlich am Institut für Ägyptologie der Ludwig-Maximilians-Universität München
Das Buch ist im Katholisches Bibelwerk Verlag unter der ISBN 3-460-33175-5 erschienen und kostet 19,90 €.
Rezension von Alexander Görlach
Ein Zugang zum Verständnis heiliger Texte wollen Stefan Jakob Wimmer und Stephan Leimgruber mit ihrer Einführung »Von Adam bis Muhammad. Bibel und Koran im Vergleich« ermöglichen. Ausgehend von der Relevanz, die das Leben mit dem Gotteswort in den beiden Religionen schon für die jungen Christen und Muslime hat, zielen die Autoren darauf, einen pädagogischen Weg aufzuzeigen, in der Schule und im Alltag Interesse für die beiden Religionen zu wecken. Informationen über die Lebens- und Glaubenswelt anderer zu haben wird mehr noch als heute bereits üblich, zu den sozialen Schlüsselqualifikationen in den pluralistischen Gesellschaften (nicht nur) des Westens gehören. Erreicht man mit einer reinen Informationsanhäufung bereits diese erwünschte Qualifikation? Mit welcher Motivation wende ich mich dem anderen zu? Leimgruber und Wimmer setzen auf die Empathie: Die Bedeutung anderer heiliger Texte erschließt sich dem Christen durch die Bedeutung, die für ihn die Bibel hat. Angelegt ist das Buch auf eine Hermeneutik der Empathie, die auf die Relevanz sieht, die das Gotteswort auf den Menschen hat, die den Traditionen von Bibel und Koran folgen. In den heiligen Texten begegnen dem Leser wiederum nicht nur theologische Aussagen, sondern vor allem Menschen. Menschen, die durch ihr Leben die Heilsgeschichte definieren. Von Adam bis Christus decken sich zumindest die Namen der Personen, die sich in beiden Religionen großer Verehrung erfreuen. Der Ansatz beim Menschen heute und der Blick auf die Menschen in den Geschichten der heiligen Bücher ermöglicht es, Wissen zu gewinnen, ohne dass die Wahrheitsfrage dabei sofort gestellt werden muss. Leimgruber und Wimmer nähern sich dennoch einigen prekären Fragestellungen. Das Kapitel »Muhammad in der Bibel« ist natürlich absichtlich als Provokation für christliche Leser so überschrieben. Muslime glauben in den Schriften des Alten und des Neuen Bundes Prophezeiungen zu entdecken, die auf Muhammad vorausweisen. Dem muss man sich als Christ aussetzen, will man letztlich verstehen (nicht glauben), was Muslime über das Christentum und seine Heilige Schrift denken. Letztendlich müssen sich auch Muslime der Tatsache aussetzen, das Muhammad für Christen niemals ein Prophet sein kann, weil die Offenbarung nach christlichem Glauben mit Jesus an ihren Höhepunkt und ihre Vollendung gelangt ist.
Diese Arbeit von Wimmer und Leimgruber ist nicht nur wichtig, weil sie Lehrer und Seelsorger für ihre Arbeit schulen kann, was wiederum den Kindern und Jugendlichen dabei zugute kommt, sich in der Welt von Morgen zurecht zu finden. »Von Adam bis Muhammad« ist zudem ein entscheidender Beitrag zu den aktuellen Diskursen über Islam und Christentum: Das Buch enthält keine polemische Nuance, beide Religionen werden auf der skizzierten Hermeneutik der Empathie betrachtet – und nicht bewertet.
Alexander Görlach
Erschienen in: CIBEDO-Beiträge 1/2006