(KNA) Unter türkischstämmigen Menschen in Deutschland sind islamisch-fundamentalistische Einstellungen verbreitet. Das geht aus einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Emnid-Umfrage im Auftrag des Exzellenzclusters “Religion und Politik” der Universität Münster hervor. Dabei bekundeten 90 Prozent der Befragten ein hohes Wohlbefinden in Deutschland und fast ebenso viele eine sehr enge bis enge Verbindung sowohl zu Deutschland wie zur Türkei. Dennoch klagen mehr über einen Mangel an sozialer Anerkennung. Der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack sprach von einem beträchtlichen Anteil an islamisch-fundamentalistischen Einstellungen, die schwer mit den Prinzipien moderner Gesellschaften zu vereinen seien. Demnach stimmte die Hälfte der Befragten dem Satz zu “Es gibt nur eine wahre Religion”. Ein Drittel meinte, Muslime sollten zur Gesellschaftsordnung aus Mohammeds Zeiten zurückkehren. 36 Prozent zeigten sich überzeugt, nur der Islam könne die Probleme der Zeit lösen. Bei 13 Prozent konstatierten die Forscher ein verfestigtes fundamentalistisches Weltbild. Die Befragten schrieben dem Islam vor allem positive Eigenschaften wie Toleranz und Friedfertigkeit zu. Über 80 Prozent erklärten zugleich, es mache sie wütend, wenn nach einem Terroranschlag als erstes Muslime verdächtigt würden. Zwei Drittel meinten, der Islam passe in die westliche Welt – 73 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland meinen das Gegenteil. “Hier haben wir wirklich einen Konflikt”, konstatierte Pollack. Die vehemente Verteidigung des Islam führte er auch auf mangelnde Anerkennung zurück. Rund die Hälfte der Befragten fühlt sich laut Studie als “Bürger zweiter Klasse” und knapp ein Viertel sah sich diskriminiert. Unterschiede zeigten sich zwischen den Generationen. Der Anteil von Fundamentalisten war demnach in der ersten Generation doppelt so hoch wie bei den Nachkommen. Sie folgt auch strenger den Glaubensvorschriften. Knapp 40 Prozent dieser Generation meinte, Frauen sollten ein Kopftuch tragen. In den Folgegenerationen waren es 27 Prozent. Dort war die religiöse Praxis zwar geringer, die religiöse Selbsteinschätzung aber höher. Die zweite und dritte Generation sei stärker integriert, aber offensiv-selbstbewusster bei der Bewahrung der eigenen Kultur, hieß es. Die Migrationsbeauftragte der Linkspartei, Sevim Dagdelen, führte “das demonstrative Bekenntnis zu einem rigiden Islam” vor allem auf die “Desintegrationspolitik der Bundesregierung” zurück. Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, warf den türkisch-staatlich finanzierten Verbänden wie der Ditib vor, bislang nicht positiv zur Integration beizutragen. Emnid befragte nach eigenen Angaben gut 1.200 Zuwanderer aus der Türkei und ihre Nachkommen ab 16 Jahren zwischen November 2015 und Februar 2016. 40 Prozent der Befragten wurden in Deutschland geboren. Laut Statistischem Bundesamt lebten 2014 rund 2,9 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland.
(KNA – qkqlq-89-00110)