Liebe Leserinnen und Leser,
unfassbar und erschreckend sind die vielen Bilder und Nachrichten, die uns tagtäglich aus der Region Nordirak und Syrien erreichen. Bestialische Gräueltaten wie Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Versklavung von Frauen sind nur ein paar Beispiele. Unter Tränen erzählte Mitte September der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Mossul, Mor Nikodemus Daoud Matti Sharaf, bei einer Veranstaltung in der Katholischen Akademie in Hamburg, wie die Terrormiliz „Islamischer Staat“ Mossul einnahm und seitdem Hunderttausende Menschen auf der Flucht sind. Die Zerstörung und Vertreibung im Irak betreffen nicht nur Christen und Jesiden, sondern auch diejenigen Muslime, die sich nicht dem „Islamischen Staat“ anschließen wollen. Eine Horde von Menschen lebt ihren entfesselten Trieb aus, instrumentalisiert eine Religion als Legitimation für ihre Ideologie und kennt keinerlei Grenzen in der Gewaltausübung. „Ein dunkler Moment“, wie es ein Pater vor Kurzem nannte, zeigt sich in der islamischen Geschichte, und es ist noch nicht absehbar, wie lange diese Grausamkeiten noch andauern werden.
Dass man mit Terroristen keinen Dialog führen kann und diplomatische Appelle von den islamistischen Extremisten einfach ignoriert werden, ist mittlerweile auch bis zu den Mächtigen dieser Welt durchgedrungen. In diesem dunklen Moment scheinen Waffen und militärische Gewalt die einzigen Mittel zu sein, die diesen Gräueltaten Einhalt gebieten und die humanitäre Katastrophe lindern können.
Aus verschiedenen Teilen der Erde haben muslimische religiöse Führer ihre Stimmen erhoben und sich von den Taten des „Islamischen Staates“ distanziert. Die Aktion „Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht“ vom Koordinationsrat der Muslime in Deutschland ist in diesem Kontext ein positives Zeichen. Es ist jedoch wichtig, dass auf eine verbale Distanzierung von der Ideologie des „Islamischen Staates“ auch eine theologische Klärung folgt, die die Argumentation der Islamisten religiös widerlegt. Eine kritische Auseinandersetzung mit den religiösen Quellen, wie sie in der Frankfurter Erklärung der Vertreter der islamischen Theologie in Deutschland angedeutet wird, weist m. E. in die richtige Richtung. Auch der offene Brief von über 120 muslimischen Gelehrten an „AbÚ Bakr al-Ba™dÁdÍ“ zeigt, dass die Mehrheit der Muslime weltweit sich von dieser Ideologie nicht vertreten fühlt.
„Die echte Religion ist eine Quelle des Friedens und nicht der Gewalt! Niemand darf den Namen Gottes gebrauchen, um Gewalt auszuüben! Im Namen Gottes zu töten, ist ein schweres Sakrileg! Im Namen Gottes zu diskriminieren, ist unmenschlich“, sagte Papst Franziskus bei seiner Albanienreise am 21. September. Die katholische Kirche steht jedem solidarisch zur Seite, der aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, ethnischen Herkunft etc. diskriminiert, gar angegriffen wird. Dabei ist es unerheblich, ob solche Angriffe irgendwo auf der Welt oder hier in Deutschland stattfinden, wie beispielsweise die Anschläge auf muslimische Einrichtungen in jüngster Zeit. Hier ist eine klare ablehnende Haltung notwendig. Christen und Muslime müssen sich gemeinsam gegen Kräfte stellen, die unter einem religiösen Mantel allgemeinen menschlichen Werten und gerechten politischen Ordnungen gegenüber feindlich gesinnt sind oder diese sogar bekämpfen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch weltweit.
Ein friedliches Miteinander in einer pluralen Gesellschaft ist notwendig und kann nur gelingen, wenn wir eine Haltung der Achtung vor dem Anderen in seiner Andersheit einüben, die auf der Anerkennung der allgemeinen Menschenrechte, einschließlich der passiven und aktiven Religionsfreiheit basiert. Auf dieser Grundlage können wir uns jeweils aus eigener Tradition für das Gemeinwohl einsetzen und für eine gerechte Gesellschaft arbeiten – ohne Rivalität und Relativismus, sondern als Partner, die im Dienste der Gesellschaft an einer gemeinsamen friedlichen Zukunft arbeiten.
Timo Güzelmansur
Inhaltsverzeichnis
Studien
Das exzeptionelle Verhältnis von Judentum und Christentum und der Dialog mit dem Islam
von Josef Wohlmuth, Bonn 100
Erlösende Perspektive inmitten interreligiöser Aporien
von Margareta Gruber OSF, Vallendar 109
Schiitisch-sunnitische Spannungen im pakistanischen Islam
von John O’Brien CSSp, Pakistan 116
Dokumentation
Ansprache von Papst Franziskus bei der Begegnung mit den Führern anderer Religionen und anderer christlicher Konfessionen 129
„Schweres Vergehen gegen die Menschheit“
Erklärung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog (PCID) zum „Islamischen Staat“ 131
Stellungnahme zum „Islamischen Staat“
Stellungnahme der VertreterInnen der Standorte für Islamisch-Theologische Studien in Deutschland zu den aktuellen politischen Entwicklungen im Nahen Osten 133
Offener Brief der islamischen Gelehrten zum „Islamischen Staat“
Auszug aus dem offenen Brief an Dr. IbrÁhÍm þAwwÁd al-BadrÍ alias „AbÚ Bakr al-Ba™dÁdÍ“ und an die Kämpfer
und Anhänger des selbsternannten „Islamischen Staates“ 134
Ramadanbotschaften:
Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog 136
Deutsche Bischofskonferenz 138
Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland 139
Bundespräsident 140
Berichte
„MissionRespekt. Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“
Bericht zum internationalen ökumenischen Kongress
von Sebastian Prinz 141
„Horizonte der Islamischen Theologie“
Bericht zum Kongress der Islamischen Theologie
von Raphael Zikesch und Verena Voigt 143
Buchbesprechungen
Schmid, Hansjörg/Dziri, Amir/Gharaibeh, Mohammad/Middelbeck-Varwick, Anja (Hrsg.): Kirche und Umma. Glaubensgemeinschaft in Christentum und Islam
von Joachim Valentin 145
Bertels, Gesa/Hetzinger, Manuel/Laudage-Kleeberg, Regina (Hrsg.): Interreligiöser Dialog in Jugendarbeit und Schule
von Hussein Hamdan 146
Literaturhinweise 148
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 149
Zeitschriftenschau 150