Liebe Leserinnen und Leser,
am 28. Februar 2013 ist Papst Benedikt XVI. von seinem Amt als Bischof von Rom und Nachfolger Petri zurückgetreten. So ein Schritt wurde seit etwa 700 Jahren nicht mehr getan – der Papst versetzt sich in den Ruhestand. Diesem aus innerer Freiheit heraus erfolgten Schritt wurde von vielen Seiten großer Respekt gezollt. Auch muslimische Stimmen aus Deutschland erinnerten an die Begegnungen mit dem Papst auf seinen Deutschlandreisen in den Jahren 2005 und 2011. Neben den positiven Würdigungen dieses Pontifikats war jedoch auch noch eine latente Kritik von muslimischer Seite bezüglich der Regensburger Vorlesung zu hören. Gerade wegen der Reaktionen auf diese Vorlesung hat Papst Benedikt den theologischen Dialog mit den Muslimen vertieft und vorangebracht. Seine Agenda für und sein Verständnis von einem Dialog der Religionen hat er wenige Monate nach der Regensburger Vorlesung bei seiner Reise in der Türkei formuliert. Er befand sich in der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara, als er sagte: „Wir sind zur Zusammenarbeit aufgerufen, um so der Gesellschaft zu helfen, sich dem Transzendenten zu öffnen und Gott, dem Allmächtigen, den Platz einzuräumen, der ihm zusteht. Das lässt sich am besten tun in einem authentischen Dialog zwischen Christen und Muslimen, der in der Wahrheit gründet und von der aufrichtigen Sehnsucht gespeist ist, einander besser kennenzulernen in Achtung unserer Unterschiede und Anerkennung unserer Gemeinsamkeiten.“
Der neue Papst Franziskus wird sich sicherlich auf den Spuren von Benedikt XVI. bewegen. Durch seine Namenswahl und bisherige Lebensweise bringt er eine Spiritualität mit, die den Blick auf die Armen und Schwachen dieser Welt richtet. Sein Namenspatron, der „Poverello“ aus Assisi, hatte in einer turbulenten Zeit den Versuch unternommen, das Gespräch mit den Muslimen ohne Waffengewalt zu führen, was ihm die Sympathie und den Respekt seiner Gesprächspartner einbrachte. Franziskus war ein Heiliger seiner Zeit, der sich für Solidarität, Gerechtigkeit und Frieden einsetzte. Jorge Mario Bergoglio SJ ist ein Mitglied des Jesuitenordens, der eine lange Tradition im Dialog vorweisen kann. Der neue Papst kennt den Islam und die Muslime von seinem früheren Wirkungsort sehr gut, denn in Buenos Aires steht die größte Moschee in Lateinamerika mit einem islamischen Zentrum. Seine Gesprächspartner attestieren ihm „eine dialogische Natur“ und sehen ihn als „einen Freund der Muslime“. In Argentinien leben ca. 500.000 Muslime und das Zusammenleben von verschiedenen Religionen funktioniert ohne größere Probleme. Die Erfahrungen von Papst Franziskus könnten einen frischen Wind in die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen bringen. Gerade im Hinblick auf den anhaltenden „arabischen Frühling“ scheinen mir die bisherigen Erfahrungen des Papstes für die Fragen der Menschenrechte und Religionsfreiheit von Bedeutung zu sein. Denn diese Themen sind gegenwärtig wichtig und werden in Zukunft noch mehr in den Fokus des Pontifikats rücken.
In diesem Zusammenhang kommt dem neuen Nachfolger Petri eine Schlüsselrolle in der Mahnung zur Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Religionsfreiheit zu. Möge Gott ihm helfen, ein wahrer Pontifex – Brückenbauer – zwischen den Kulturen und Religionen zu werden, damit diese Welt ein Stück friedlicher wird. Wir dürfen uns von dem neuen Papst überraschen lassen und ihn auch an seinem selbstgewählten Namen messen. Denn „nomen est omen“!
Ihr
Timo Güzelmansur
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Studien
SAID und der Islam: „renitente Gebete“ als Fortschreibung muslimischer Mystik
von Georg Langenhorst, Augsburg 4
Römisch-katholische Ansichten zum Koran nach dem II. Vatikanum
von David Marshall, Durham (NC) 12
Eine „Studienreise“ zum Islam: Eine autobiographische Notiz
von Arij A. Roest Crollius SJ, Ankara 22
Dokumentation
„Den Durst nach dem Absoluten lebendig halten“
Auszug aus der Ansprache von Papst Franziskus an die Vertreter der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und der verschiedenen Religionen 26
Gemeinsam für Gerechtigkeit in der heutigen Welt
Schlussdokument des 8. Kolloquiums des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog und des Zentrums für Interreligiösen Dialog der Organisation für Islamische Kultur und Beziehungen 27
Gemeinsame Annäherung an die Wahrheit
Auszug aus der Ansprache Papst Benedikts XVI. beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium, die Mitglieder der römischen Kurie und der päpstlichen Familie 29
Aufbau des Friedens durch Dialog ist eine Notwendigkeit
Auszüge aus der Ansprache Papst Benedikts XVI. beim Neujahrsempfang für die Mitglieder des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps 31
Der interreligiöse Dialog
Auszug aus: Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Medio Oriente Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. 33
Berichte
„Salafismus in Deutschland: Entstehung, Radikalisierung, Prävention“
von Elhakam Sukhni 36
„Junge Muslime in Deutschland“
von Hussein Hamdan und Hansjörg Schmid 38
Kirche und Umma. Glaube und Gemeinschaft in Christentum und Islam
von Christian Ströbele 40
Buchbesprechungen
Güzelmansur, Timo: Gott und Mensch in der Lehre der anatolischen Aleviten: Eine systematischtheologische Reflexion aus christlicher Sicht
von Ïsmail Kaplan 44
Tezcan, Levent: Das Muslimische Subjekt. Verfangen im Dialog der Deutschen Islam Konferenz
von Johannes Kandel 44
Goetze, Andreas: Religion fällt nicht vom Himmel. Die ersten Jahrhunderte des Islams
von Alexander Toepel 45
Literaturhinweise 48
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 49
Zeitschriftenschau 50