Liebe Leserinnen und Leser,
die „Arabellion“ ist in ihr zweites Jahr eingetreten und die verschiedenen betroffenen Länder ringen weiter um tragbare Antworten auf grundlegende politische und gesellschaftliche Fragen. Die jüngsten Berichte aus Syrien lassen erahnen, dass die Unruhen in diesem Staat noch lange andauern werden. Der Konflikt schien zunächst zwischen der Regierung und ihren Anhängern auf der einen Seite und den oppositionellen Gruppen auf der anderen Seite zu bestehen. Dann aber bestätigte sich die von Anfang an gehegte Befürchtung, dass dieser Kampf sich entlang konfessioneller und religiöser Linien artikuliert und ausweitet. Es häufen sich auch die Berichte über Angriffe auf Kirchen und kirchliche Häuser, wie es jüngst in Aleppo der Fall war.
In dieser Zeit des Aufruhrs und der Unsicherheit wurde auch bekannt, dass der Großmufti von Saudi-Arabien Abd al-Aziz bin Abdullah auf Anfrage einiger kuwaitischer Abgeordneter erklärt habe, dass keine Kirchen mehr gebaut werden dürfen und die vorhandenen Kirchen der arabischen Halbinsel zerstört werden sollen. Dies begründet er mit einem Hadith Muhammads, wonach es auf der arabischen Halbinsel nur eine Religion geben darf. Eine solche Erklärung muss jeden wundern, der sich im interreligiösen Dialog engagiert. Vor allem aber wohl den König von Saudi-Arabien. Denn der Herrscher von Saudi-Arabien, König Abdullah ibn Abd al-Aziz bemüht sich seit einigen Jahren um den interreligiösen Dialog. Erst im Sommer letzten Jahres wurde in Wien das „Internationale König-Abdullah-Bin-Abdulaziz-Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog“ gegründet. Offensichtlich besteht ein tiefer Graben zwischen dem König und seinem obersten Gelehrten für religiöse Fragen.
Man darf aber auch die Tatsache nicht außer Acht lassen, dass unter den zahlreichen Ausländern auf der arabischen Halbinsel ca. 3 Millionen Christen leben, darunter Spezialisten, Fachkräfte und Arbeiter aus allen Bereichen. Diese Menschen haben einen enormen Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum und Wohlstand dieser Länder geleistet. Allein in Saudi-Arabien sollen mehr als eine Million Christen leben und arbeiten.
Es liegt auf der Hand, dass diese Fatwa nicht die gängige Meinung der Herrscherhäuser auf der arabischen Halbinsel wiedergibt, aber sie ist Wasser auf den Mühlen der Radikalen, die von einem interreligiösen Dialog nichts hören wollen. Es gilt auch weiterhin: Christen und Muslime müssen ihre Bemühungen um echten Dialog miteinander verstärken, damit trotz extremistischer Bewegungen und Stimmen ein friedliches Zusammenleben möglich wird. Religionsfreiheit gehört zu den fundamentalen Menschenrechten, die keinem Menschen vorenthalten werden dürfen, wo auch immer.
Die Deutsche Bischofskonferenz hat mich mit der Entscheidung zum 1. Februar 2012 zum neuen Geschäftsführer von CIBEDO berufen und somit die seit 1. September 2011 bestehende Stellenvakanz aufgehoben. Mit dieser Ernennung geht CIBEDO seit ihrer Gründung 1978 in die vierte Generation von Leitenden über.
Es ist nicht zu verkennen, dass seit der Gründung der Arbeitsstelle die Aufgabenbereiche kontinuierlich angestiegen sind. Das Thema interreligiöser Dialog, und speziell für Deutschland der Dialog mit den Muslimen, bleibt von besonders hoher Aktualität. Für die katholische Kirche bedeutet dies, wie Papst Benedikt der XVI. betont: „Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt.“ Ich hoffe, dass durch meine Tätigkeit bei CIBEDO ein Stück davon gelingen kann, was Papst Benedikt XVI. uns programmatisch aufgetragen hat.
Mit österlichen Grüßen
Timo Güzelmansur
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Studien
Auf dem Pfad zum Verständnis
Betrachtungen zum Programm für das Verständnis des Islam in London
von Chris T. R. Hewer 4
Ursprünge des Politischen Islam/Islamismus
Christine Schirrmacher 12
Der Koran – europäisch gelesen
Warum es nötig und sinnvoll ist, den heiligen Text des Islam historisch-kritisch zu edieren und zu kommentieren
von Angelika Neuwirth 18
Dokumentation
Auftrag zur Nächstenliebe umsetzen
Erzbischof Robert Zollitsch und Präses Nikolaus Schneider
zur Gedenkfeier für die Opfer der NSU am 23. Februar in Berlin 21
Nationale Sitzung der bischöflichen Delegierten für die Beziehungen mit den Muslimen
von Christophe Roucou 22
Christlich-islamisches Forum. Kommuniqué
von Vincent Feroldi und Azzedine Gaci 23
Der interreligiöse Dialog ist eine Bereicherung für die Gesellschaft
Schreiben vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog an Bischof Dubost vom 27. Januar 2012 24
Berichte
Die Boten Gottes
Tagungsbericht zum 8. Theologischen Forum Christentum – Islam
von Katrin Visse 25
Hass stellt keine Fragen
Bericht zum Expertenforum „Radikalkritik am Islam – Ursachen und Auswirkungen auf die interkulturelle und interreligiöse Verständigung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ am 1. und 2. Februar 2012
von Bernhard Staffa 27
Dialog ist, was Ägypten braucht
Bericht zur Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „Wir leben zusammen, wir denken zusammen, wir arbeiten zusammen“ in Kairo vom 20. bis 22. September 2011
von Lukas Naab 30
Buchbesprechungen
Silke Abele: Der politisch-gesellschaftliche Einfluss der nestorianischen Ärzte am Hofe der Abbasidenkalifen von al-ManÈÚr bis al-Mutawakkil
von Alexander Toepel 32
Hans Vöcking (Hrsg.): Nostra Aetate und die Muslime. Eine Dokumentation
von Anja Middelbeck-Varwick 34
Literaturhinweise 36
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 40
Zeitschriftenschau 42