Liebe Leserinnen und Leser,
am politisch rechten Rand in Europa polemisieren in einigen Ländern Parteien und einzelne Politiker gegen eine Integration des Islam in einer Sprache und mit Argumenten, die an Widerwärtigkeiten kaum zu überbieten sind. In Österreich hatte die FPÖ-Politikerin Susanne Winter auf einer Veranstaltung im Rahmen des Kommunalwahlkampfes der steirischen Landeshauptstadt Graz gesagt, Mohammed sei aus heutiger Sicht ein »Kinderschänder« und habe den Koran in »epileptischen Anfällen« verfasst. Die FPÖ distanzierte sich nicht etwa von diesen Entgleisungen, sondern sie spendete lautstark Beifall.
In den Niederlanden will der rechtsgerichtete Parlamentarier Geert Wilders einen Koran-Film veröffentlichen, der für Verstimmungen zwischen Holland und Teilen der islamischen Welt sorgt. Bisher ist über das zehnminütige Werk nur bekannt, was sein Macher ankündigte. Sein Filmsoll zeigen, dass der Koran »eine Inspirationsquelle für Intoleranz, Mord und Terror« sei, so Wilders. Wilders hatte den Koran bereits früher als faschistisches Buch bezeichnet, das zur Hälfte verboten werden sollte, und ihn mit Hitlers »Mein Kampf« verglichen. Im Gegensatz zu Frau Winter ist Wilders ein Einzelkämpfer, der sich mit schrillen Einzelaktionen Gehör verschaffen will. Und das braucht er auch, denn ansonsten fehlt es bei ihm an allen Ecken und Enden an politischen Inhalten.
Die Kirchen haben diese Entgleisungen eindeutig verurteilt und Respekt vor anderen Religionen eingefordert. Sowohl die österreichische als auch die niederländische Bischofskonferenz haben deutliche Worte der Ablehnung gefunden. Und dies ist wichtig und richtig. Respekt vor Anderen ist ein konstitutives Element der Menschenrechte und -würde. Respekt gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen gehört auch zu den Grundforderungen und Grundvoraussetzungen einer demokratischen Gesellschaft. Und gerade jene politischen Gruppierungen und Parteien, die dem Islam die Demokratiefähigkeit absprechen wollen, verhalten sich selber in einer die Demokratie verachtenden Art und Weise.
Natürlichmüssen die großen theologischen und gesellschaftspolitischen Fragen im interreligiösen Dialog thematisiert werden und auf den Tisch kommen. Der Vorwurf, im interreligiösen Dialog werde von den Kirchen kein Klartext gesprochen, wird oft genug erhoben, trifft aber nicht (siehe die jüngste Handreichung der EKD). Es sind nicht die Kirchen, die einen vermeintlichen »Schmusekurs« fahren. Ohne Respekt voreinander können wir keinen Dialog betreiben. Frau Winter und Herr Wilders wollen keinen Dialog, sondern Stimmungen anheizen. Das hat die Rechte schon einmal getan.
Freuen wir uns, dass die muslimischen Verbände in Österreich und den Niederlanden bislang weitgehend bedächtig reagiert haben und sich nicht haben provozieren lassen, von einigen Morddrohungen Einzelner abgesehen. Sie, die Verbände, haben gezeigt, dass sie fit sind für den Dialog und die Zivilgesellschaft.
Editorial 2
Studien
Zum Beten zusammenkommen: Religionen in der Hinwendung zu Gott und in der Sorge um den Menschen
von Hans-Jochen Jaschke 4
Muslime in Europa zwischen Globalisierung und Lokalisierung:
Gesellschaftspolitische und theologische Perspektiven im Anschluss an Enes Karić und Tariq Ramadan
von Hansjörg Schmid 8
Konversion aus dem Islam: Studie über Konversionsberichte ehemaliger Muslime
von Mohammad Hassan Khalil und Mucahit Bilici 17
Thesen
Kirchliche Erwachsenenbildung und interreligiöser Dialog: Zehn Thesen
von Werner Höbsch 24
Dokumentation
Der offene Brief der 138 muslimischen Gelehrten 27
Die Antwort Papst Benedikts XVI. 35
Bericht
Vielfalt und Sprachprobleme:
Drei Wochen als Praktikantin im türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten
von Kerstin Schweizer 36
Buchbesprechung
Bekir Alboğa, Georg Bienemann und Werner Höbsch:
Dialogbereit. Christen und Muslime im Gespräch – Eine Klärungshilfe für soziale Berufe
von Timo Güzelmansur 42
Literaturhinweise 44
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 47
Zeitschriftenschau 49