Von Christoph Schmidt (KNA) Bonn/Rabat (KNA) Marokko bannt die Burka. Mit Sicherheitsbedenken begründete das Innenministerium in Rabat diese Woche ein neues Verbot von Einfuhr, Produktion und Verkauf des Ganzkörperschleiers wie auch des Niqab, der nur die Augen freilässt. Zu oft hätten Terroristen die streng islamische Frauentracht zur Tarnung genutzt, sagte ein Sprecher. Mit Freiheitswerten und Frauenrechten hat die Ordre also nichts zu tun. In dem nordafrikanischen Königreich dominiert ein konservativer Staatsislam, der in den vergangenen Jahren immer mehr zur Zielscheibe salafistischer Eiferer wurde – bis hin zu Mord und Terroranschlägen. Ob das Tragen von Burka und Niqab in Marokko nun generell untersagt ist, blieb zunächst offen. Beide kommen im nordafrikanischen Kulturraum ohnehin nur selten vor. Die Burka entstammt dem afghanischen und pakistanischen Islam; der Niqab ist ein Produkt der Arabischen Halbinsel. Erst der von Saudi-Arabien international geförderte Salafismus trug die Vollverschleierung auch vermehrt nach Afrika. Dort gingen bereits der Tschad und der Senegal gegen Vollverschleierung vor, ebenfalls aus Angst vor Terroristen. Viele Europäer dürften den marokkanischen Schritt als Bestätigung eigener Gesetze begrüßen. Auch die Terrorgefahr spielte dabei eine Rolle; zentraler erschien aber die Verteidigung westlicher Werte, allen voran eine Gleichberechtigung der Geschlechter. Während in Deutschland die Debatte ums Burkaverbot wieder abgeebbt ist, haben andere europäische Länder längst gehandelt. So gilt im laizistischen Frankreich schon seit 2010 ein Gesetz, das die Verhüllung des Gesichts in der Öffentlichkeit verbietet. Verstöße können mit bis zu 150 Euro Geldstrafe geahndet werden. Seither kam es jedes Jahr zu mehreren hundert solcher Verstöße. Die Klage einer Muslimin vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wegen Diskriminierung wurde abgewiesen. Damit steht auch ein komplettes Burkaverbot in der Öffentlichkeit nicht in Gegensatz zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Ein Sonderfall ist die französische Regelung, wonach auch Männer, die Frauen zur Vollverschleierung zwingen, hart bestraft werden können. Es drohen ein Jahr Gefängnis oder bis zu 30.000 Euro Bußgeld. Auch in Belgien ist seit 2011 der öffentliche Raum für Vollverschleierte tabu. Mit fast 140 Euro fällt die Strafe bei Zuwiderhandlung ähnlich hoch aus. Bislang kam es zu mehreren Dutzend Verstößen. Das Brüsseler Verfassungsgericht bestätigte die Regelung. Selbst die toleranten Niederländer verbannen die Burka. Mit großer Mehrheit beschloss das Parlament in Den Haag ein Teilverbot der Totalverschleierung. In öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Regierungsgebäuden sind sie untersagt. Verstöße kosten bis zu 400 Euro Strafe. Im Schweizer Kanton Tessin erbrachte 2013 eine Volksabstimmung eine große Mehrheit für ein Verbot der Gesichtsverhüllung. Betroffen sind vor allem die Frauen reicher Araber, die gern dort Urlaub machen. Laut einer Bilanz der Polizei kam es aber bislang kaum zu Problemen. In Spanien verhinderte das Parlament 2010 zwar einen Vorstoß des Senats, den Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit zu untersagen. Verbote gibt es aber auf kommunaler Ebene, vor allem in katalanischen Städten wie Barcelona. Auch in Österreich wurde 2016 über ein Verbot diskutiert. Das italienische Anti-Terror-Gesetz von 1975 verbietet Vermummung im öffentlichen Raum; noch wird es aber nicht auf Musliminnen angewandt. Doch auch dort läuft eine entsprechende Diskussion, insbesondere im Norden des Landes mit seinen zahlreichen Migranten aus islamischen Ländern. Vereinzelt gibt es bereits Verbote auf kommunaler Ebene. In Russland leben rund 20 Millionen Muslime. In öffentlichen Gebäuden und staatlichen Schulen sind nicht mal Kopftücher erlaubt. Besonders in den Kaukasus-Regionen kommt es immer wieder zu Spannungen um die Vollverschleierung. Zwei Kaukasus-Regionen haben selbst das einfache Kopftuch, den Hijab, in der Öffentlichkeit verboten. In den besonders islamkritischen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas spielen Burka-Debatten bisher keine große Rolle – wohl nur deshalb, weil der ultrakonservative Islam dort bislang kaum in Erscheinung tritt. Nur Lettland beschloss im Januar 2016 ein Verbot. Dänemark hat zwar ein sehr restriktives Asylrecht; ein eigenes Verbotsgesetz für die maximal 200 Trägerinnen von Burka und Nikab dort hielt man aber nicht für erforderlich. Ähnlich verlief die Debatte in Großbritannien. Der Ausschluss einer bestimmten Bekleidungsform passe nicht zu den britischen Werten, so der politische Tenor.
(KNA – rkllm-89-00166)