Von Katrin Gänsler (KNA) Abuja (KNA) In Nigeria hat Informationsminister Lai Mohammed eine heftige Debatte über die Rolle des Islam im Land ausgelöst. Der 65-Jährige, der seit November 2015 dem Kabinett von Präsident Muhammadu Buhari angehört, hatte Anfang der Woche während einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in der Stadt Ilorin gesagt, “niemand will Nigeria islamisieren”, wie die Online-Zeitung “Premium Times” berichtete. Falls er mit dieser Aussage beschwichtigen wollte, hat er sein Ziel gründlich verfehlt. Stattdessen werden die Verflechtungen von Religion und Politik in Nigeria derzeit so intensiv und lautstark diskutiert wie seit langem nicht mehr. Die Vorwürfe, die aktuelle Regierung wolle Nigeria islamisieren, seien “völlig falsch”, betonte der Minister. Es handle sich um eine “Verleumdungskampagne”. Die Christliche Vereinigung Nigerias (CAN), der 1976 gegründete Dachverband der Kirchen im Land, habe gegenüber der Regierung entsprechende Vorwürfe erhoben, so Mohammed. Das Land werde als der “gefährlichste Ort für Christen auf der ganzen Welt” dargestellt. Laut Mohammed wird dies nur zu einem führen: Krieg zwischen den Religionen. Das ist in Afrikas einwohnerstärkstem Staat, in dem rund 186 Millionen Menschen leben, seit Jahrzehnten ein äußerst sensibles Thema. Der Norden ist überwiegend muslimisch geprägt, in zwölf Bundesstaaten wurde ab 2000 die Scharia eingeführt. Vor allem im Bundesstaat Kaduna löste das schwere Ausschreitungen aus. Schon seit den 1980er Jahren war es dort mehrfach zu Unruhen gekommen. Im Süden leben wiederum mehrheitlich Christen. Welche Gruppe insgesamt die Mehrheit in Nigeria stellt, ist eine heikle und sehr politische Frage. Genau aus diesem Grund werden dazu seit Jahrzehnten keine Zahlen mehr erhoben. Im vergangenen Jahr war es im Norden des Landes wiederholt zu tödlichen Ausschreitungen gekommen. So starben im Bundesstaat Niger vier Menschen bei Unruhen, nachdem einem christlichen Händler Blasphemie vorgeworfen worden war. Kurze Zeit später wurde in der Millionenstadt Kano eine 74-Jährige getötet, die ebenfalls der Gotteslästerung beschuldigt worden war. Nach Angaben der Christlichen Vereinigung Nigerias wurden zwar zunächst Tatverdächtige festgenommen, jedoch bald darauf wieder aus der Haft entlassen, ohne jede Verhandlung. Als Streit zwischen Christen und Muslimen wird derzeit auch der anhaltende Landkonflikt im Bundesstaat Kaduna dargestellt. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge kamen dabei innerhalb von drei Monaten zwischen 200 und 800 Menschen ums Leben. Viele sesshafte Farmer, zumeist Christen, stellen muslimische Viehhirten als Mörder dar. Muslime bezichtigen wiederum christliche Bauern und werfen ihnen vor, Muslime umbringen zu wollen. Die Gründe, auf denen der Konflikt tatsächlich basiert, wurden bislang nicht angegangen. Dazu zählt etwa das angesichts steigender Bevölkerungszahlen immer knapper werdende Land, der Mangel an Sicherheit in ländlichen Regionen und das Versagen der zuständigen Behörden, fair gegen die mutmaßlichen Täter – egal welcher Religion – zu ermitteln. Ebenso wie der Wille, diese Probleme zu lö- sen, fehlt jedoch weitgehend auch die Forderung danach – sowohl von christlicher, als auch von muslimischer Seite. Angesichts der Aussage von Minister Mohammed zeigte sich die Christliche Vereinigung Nigerias nun jedoch erbost. Kritik übte sie vor allem an der Anschuldigung Mohammeds, Christen würden der Regierung eine Islamisierung vorwerfen. Präsident Samson Supo Ayokunle, der seit 2011 dem Baptistischen Kongress Nigerias vorsteht und den christlichen Dachverband seit 2016 leitet, ließ verkünden, man sei “enttäuscht, aber nicht überrascht” von dieser Lüge. Zugleich warf er dem Minister vor, muslimische Meinungsführer könnten “schlimmere Dinge behaupten”, ohne dass die Regierung dazu Stellung beziehe.
(KNA – rkmlk-89-00012)