Hamburg/Karlsruhe (KNA) Beamte des Bundeskriminalamts und der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben nach Angaben des Generalbundesanwalts seit dem Mittwochmorgen Wohnungen von vier Geistlichen des deutsch-türkischen Islamverbandes Ditib durchsucht. Ihnen wird geheimdienstliche Agententätigkeit vorgeworfen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verlangte unterdessen von der Ditib eine lückenlose Aufklärung der Spionage-Vorwürfe. Nach den Worten des Ministers ist der “Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib zu groß. Der Verband muss sich glaubhaft von Ankara lösen”. Die Ditib solle ihre Satzung ändern, “die die enge Verbindung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet festschreibt”, so der SPD-Politiker. “Nur als unabhängiger deutscher Verband hat die Ditib eine Zukunft als verlässlicher Partner.” Der “Spiegel” berichtete unterdessen, die Ermittler hätten ursprünglich bereits Ende Januar aktiv werden wollen, doch sei die Polizeiaktion kurzfristig verschoben worden. Anfang Februar hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara getroffen. Die Bundesanwaltschaft hatte den Informationen zufolge seinerzeit auch Haftbefehle wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit beim Bundesgerichtshof beantragt. Doch ein Ermittlungsrichter habe schließlich lediglich Durchsuchungen genehmigt. Vertreter der Opposition warfen Maas vor, zu lange gezögert zu haben. “Zahlreiche Ditib-Spitzel haben sich dank langem Stillhalten der deutschen Behörden wohl in die Türkei absetzen und Beweise vernichten können”, erklärte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen. Der Grünen-Politiker Volker Beck warf der Bundesregierung vor, aus Rücksicht auf das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu langsam gehandelt zu haben. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, Mustafa Yeneroglu, verurteilte die Razzien “auf das Schärfste”. Unter dem Deckmantel eines unhaltbaren Spionagevorwurfs werde eine Einschüchterungskampagne gegen die Ditib gefahren, erklärte er. Die Ditib solle gezwungen werden, sich von der Türkei zu lösen. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft besteht gegen die Beschuldigten der Verdacht, Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und dem türkischen Generalkonsulat berichtet zu haben. Dazu sollen sie vom türkischen “Präsidiums für Religionsangelegenheiten” (Diyanet) aufgefordert worden sein. Ziel der Durchsuchungsmaßnahmen sei es, weitere Beweismittel zu finden, so die Generalbundesanwaltschaft. Nach “Spiegel”-Informationen bildet ein nachrichtendienstliches Behördenzeugnis einen zentralen Bestandteil des Verfahrens. Es soll belegen, dass die spionierenden Geistlichen juristisch als Agenten einzustufen seien, auch wenn sie nicht unmittelbar für einen Nachrichtendienst tätig waren. Die Ditib hatte die Vorwürfe im Dezember zunächst abgestritten. Später hieß es dann, einige Imame hätten eine Anweisung der Diyanet fehlinterpretiert. Der Ditib werden rund 900 Moscheegemeinden in Deutschland zugerechnet.
(KNA – rkmlp-89-00118)