Goslar (KNA) Die Goslarer Islam-Expertin Theresa Beilschmidt fordert einen differenzierten Umgang mit der Ditib. Die Politik dürfe den deutsch-türkischen Moscheeverband nach den Spitzelvorwürfen “als Dialogpartner jetzt nicht einfach fallen lassen”, sagte sie am Dienstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das bedeute nicht, dass man die Ditib nicht kritisieren dürfe und solle. “Es muss im Interesse aller sein, dass die dauerhaft in Deutschland lebenden Türken ihre Religion praktizieren können”, sagte die Soziologin, die sich in ihrer Dissertation mit dem Verband beschäftigt hat. Zudem liefen in den rund 900 Moscheegemeinden viele Projekte des Dialogs und der Integration. Beilschmidt verwies darauf, dass die Ditib seit ihrer Gründung in den 1980er Jahren mit dem türkischen Staat eng verbunden sei. Das Finanzengagement der Religionsbehörde Diyanet für ihre Moscheegemeinden sei der deutschen Regierung sogar sehr willkommen gewesen. So habe sie sich nicht selbst um die religiösen Bedürfnisse der “Gastarbeiter” kümmern müssen. “Dass sich nun die Politik Erdogans auf die türkische Religionsbehörde auswirkt und nach Deutschland schwappt, überrascht mich nicht”, sagte die Referentin an der Akademie der Diözese Hildesheim Sankt Jakobushaus. Nach den Worten der Islam-Expertin haben bei der Ditib die Mitgliederversammlung, die Landesverbände oder einzelnen Moscheegemeinden nur begrenzten Einfluss. Ditib-Vorsitzender sei der Botschaftsrat in Berlin, der Diyanet-Präsident Ehrenvorsitzender. Mächtigstes Gremium sei ein Beirat, dem der Diyanet-Präsident und vier weitere Mitglieder, oft Religionsattachees, angehörten. Nur vom Beirat vorgeschlagene Menschen könnten in den Vorstand gewählt werden. Der Verband sei seit Jahren in einem Emanzipationsprozess, so Beilschmidt. Mitarbeiter des Bundesverbandes versuchten, die Verortung in Deutschland voranzutreiben. Lange habe es nur punktuell Interesse der Türkei gegeben, Einfluss zu nehmen. “Unter Erdogan hat sich das nun sehr verändert. Und wir sehen, wie groß und problematisch die Macht des Beirats ist.” Sie sieht die Chance, dass die Ditib unabhängig werden könne. Problem sei allerdings die Bezahlung der Imame. Diese lasse sich durch zu niedrige Mitgliedsbeiträge nicht auffangen. Der deutsche Staat müsse ein Interesse daran haben, dass sich die Ditib mit ihren religiösen Diensten hier verortet und Unterstützung leisten.
(KNA – rkmms-89-00079)