Von Andrea Krogmann (KNA) Kairo (KNA) Vor ihrem Kairobesuch am Donnerstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ägypten als Faktor der Stabilität bezeichnet. Diese Stabilität gibt es nicht, sagte Pfarrer Joachim Schroedel am Freitag in Kairo im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Keiner wisse derzeit, wohin das Land steuere. Auch Merkels Einschätzung zur Situation der Christen im Land widersprach der katholische Geistliche, der seit mehr als 20 Jahren als Seelsorger in Ägypten arbeitet.
KNA: Herr Schroedel, Angela Merkel hat Ägypten vor ihrer Reise gleich mehrfach gelobt – für die gute Lage der Christen, als stabilisierenden Faktor der Region – und dafür von Menschenrechtlern und Kirchenvertretern Kritik geerntet. Wie bewerten Sie Merkels Aussagen und die Kritik daran?
Schroedel: Die Ägypter haben sich über den Besuch der Bundeskanzlerin gefreut. Das, was Ägypter am meisten an den Deutschen bewundern, erwarten sie auch von ihr: Klarheit, Ehrlichkeit und Offenheit. Die Sorge ist, dass bei der – leider kurzen – Begegnung mit dem Präsidenten, dem Patriarchen der Kopten und dem Scheich der Al-Azhar-Universität klare Rede und Ehrlichkeit auf der Strecke geblieben sein könnten.
KNA: Inwiefern?
Schroedel: Immerhin kam die Bundeskanzlerin mit großen Hoffnungen ihrerseits. Der Exodus aus Afrika hat gerade begonnen. Dabei ruht auf Ägypten große Hoffnung. Doch keiner weiß derzeit, wohin Ägypten steuert. Die soziale und wirtschaftliche Situation des Volkes selbst ist verheerend; es werden immer wieder Luftschlösser gebaut, die jeder Realität entbehren. Wo sind zum Beispiel die Touristen, die in 2017 die Tourismusindustrie zum “boomen” bringen? Wo sind notwendige Investitionen? Wo ist der Erfolg des “Neuen Suez-Kanals”?
KNA: Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Besuch?
Schroedel: Sollte es der Bundeskanzlerin gelungen sein, die Probleme anzusprechen und eben auch mögliche Auswege aufzuzeigen – Freiheit der Presse, Freiheit jeglicher Meinungsäußerung etc. – wäre das ein Fortschritt. Sollte sie aber nur auf “Stabilität” gepocht haben – die es nicht gibt – dann war dieser Besuch ein Misserfolg. Man spricht von einem “Spagat”. Aber offensichtlich hat sie zumindest Gespräche in der Botschaft geführt – auch mit Kritikern des Regimes.
KNA: Im Dezember starben 27 Menschen bei einem Selbstmordattentat auf eine Kairoer Kirche, im Februar wurden im Sinai mehrere Christen getötet: Wie sicher und frei sind Ägyptens Christen wirklich seit der Amtsübernahme al-Sisis?
Schroedel: Verbal werden die Christen geschützt. Der Präsident betont die “Gleichheit” aller. Es gibt nicht “Christen” und “Muslime” – alle miteinander sind Ägypter. Doch bei diesen verbalen Beteuerungen bleibt es zumeist. Wirkliche Gleichstellung gibt es noch lange nicht.
KNA: Diese Woche tagten an der Al-Azhar ranghohe Christen- und Muslimenvertreter zu Fragen der Bürgerschaft und Freiheit. Sehen Sie einen Schulterschluss der moderaten Kräfte auf beiden Seiten gegen extremistische Tendenzen?
Schroedel: Kommunikation zwischen Christen und Muslimen – das ist kein einfaches Geschäft. Auch wenn selbst Bischöfe vollmundig einen “Dialog auf Augenhöhe” postulieren: Es wird diesen Dialog nicht geben, denn die Lehre des Islam lässt bereits vom Koran her nicht zu. Dennoch sind Gespräche wichtig. Austausch hilft zum Verstehen des anderen. Welches Ergebnis diese Gespräche letztlich haben – wenn es ein gegenseitiges Tolerieren wäre, könnte das ein gutes Ergebnis sein. Doch selbst bis dahin ist es noch ein langer Weg, jedenfalls vonseiten des Islam.
(KNA – rknkn-89-00015)