Von Burkhard Jürgens (KNA) Vatikanstadt (KNA) Ziemlich genau 800 Jahre ist es her, am 1. Juni 1217, da schickte Papst Honorius III. ein Kreuzfahrerheer auf den Weg. Ziel war die Rückeroberung des Heiligen Landes vom ägyptischen Damiette aus. Während der Kampagne erschien dort der Bettelbruder Franziskus mit dem naiv-kühnen Vorsatz, den Sultan zu bekehren, den Kreuzzug zu beenden und Frieden zu schaffen. Jetzt reist wieder ein Papst nach Ägypten, Franziskus, Amtsnachfolger von Honorius III., geistiger Nachfolger des Gottesnarren aus Assisi. Wieder steht Großes auf dem Spiel. Als zweiter römischer Papst – nach Johannes Paul II. im Februar 2000 – besucht Franziskus am 28. und 29. April die Hauptstadt am Nil. Mit der spitzbübischen Vorliebe für Überraschungen zum Wochenende gab der Vatikan den Plan am Samstag bekannt. “Wir wussten von seiner Absicht, aber wir kannten nicht das Datum”, sagte selbst der Sprecher der Ägyptischen Bischofskonferenz, Rafic Greiche. Der Papst komme, um die größte Christengemeinde des Orients zu stärken und sie im Zusammenleben mit den Muslimen zu unterstützen, zitiert der vatikanische Pressedienst Asianews den Sprecher. Dabei geht es um mehr als nur um Rückhalt für eine bedrängte Herde. Greiche wie auch der Vatikan betonten, Franziskus reise auf Einladung des Staatspräsidenten Abdel Fattah al-Sisi, der katholischen Bischöfe, des koptischen Patriarchen Tawadros II. und des Großimams der islamischen Hochschule Al-Azhar, Scheich Ahmed Mohammed al-Tayyeb. Das scheint eine breite Basis für das Willkommen und eine Einmütigkeit unterstreichen zu wollen – und genau das haben die betreffenden Institutionen nötig. Die christliche Minderheit Ägyptens – überwiegend Kopten mit einem Bevölkerungsanteil von schätzungsweise zehn Prozent – geriet unter den Muslimbrüdern 2011 in eine prekäre Situation. Der Sturz Mohammed Mursis 2013 durch den heutigen Präsidenten al-Sisi und das Verbot der Muslimbruderschaft entspannte ihre Lage nicht völlig: Immer wieder wurden und werden Christen zum Ziel islamistischer Gewalt. So riss erst im Dezember ein Attentäter in Kairo mehr als zwei Dutzend Kirchenbesucher mit sich in den Tod. Al-Sisi und der koptische Patriarch bekunden sich bei solchen Anlässen gern ihre gegenseitige Verbundenheit; wie tief sie wirklich reicht, steht dahin. Dem Präsidenten, der sein Land vom Makel des Islamismus wie vom Vorwurf eingeschränkter Grundrechte freihalten möchte, kann Unterstützung von der moralischen Instanz eines Franziskus nur recht sein. Al-Sisis Sprecher erklärte denn auch am Samstag, der Papstbesuch werde die Botschaft eines toleranten und dialogbereiten Islam stärken. Religionspolitisch bedeutsam wird die Reise vor allem durch das Treffen des Papstes mit Großimam al-Tayyeb. Dessen traditionsreiche Universität gilt als Lehrautorität für den sunnitischen Islam. Im Mai 2016 waren sich al-Tayyeb und der Papst schon einmal im Vatikan begegnet. Davor lag eine längere Durststrecke im Dialog. Richtiger gesagt: Wichtige Begegnungen zwischen vatikanischen und muslimischen Spitzen fanden andernorts statt, etwa beim kaukasischen Großmufti Allahschükür Paschazade im Oktober. Der Gelehrte, der die Anerkennung von Schiiten wie Sunniten genießt, holte bei dem Treffen in der Moschee von Baku auch noch orthodoxe und jüdische Repräsentanten ins Boot. Ausgerechnet mit der AlAzhar jedoch hakte das Gespräch seit sechs Jahren. Auslöser der Verstimmung war 2011 eine Forderung von Benedikt XVI. (2005-2013) nach besserem Schutz für koptische Christen vor Terror und Gewalt. Die islamische Universität antwortete mit dem Abbruch des 1998 begonnenen theologischen Austauschs. Seither köchelte das Gespräch informell auf kleiner Flamme weiter. Nun reiste im Februar der Päpstliche Rat für interreligiösen Dialog zu einem Arbeitstreffen über religiösen Extremismus an die Al-Azhar. Kardinal Louis Tauran, Leiter des Rates, sprach von einer “neuen Phase” im Kontakt. Wie das Reiseprogramm von Franziskus genau aussieht, wird erst noch bekanntgegeben. Fest steht: Alle Beteiligten haben viel zu gewinnen und viel zu verlieren. Auf den zwei Tagen im April liegen hohe Erwartungen.
(KNA – rknlt-89-00009)